Der EZB-Präsident Mario Draghi will im Dezember über eine Ausweitung der umstrittenen Anleihekäufe entscheiden. Hauptgrund: die niedrige Inflationsrate. Sie freut Verbraucher, erschwert aber den Schuldenabbau in Südeuropa.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt angesichts der niedrigen Inflation eine weitere Öffnung der Geldschleusen. Die Notenbank werde im Dezember überprüfen, ob ihre bisherigen Schritte ausreichten, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach einer Sitzung mit seinen Ratskollegen in Malta. Im Dezember legen die EZB-Volkswirte neue Prognosen zur Entwicklung von Teuerungsrate und Wirtschaftswachstum vor. Der Rat als oberstes Beschlussorgan der Notenbank habe die Fachgremien beauftragt, schon jetzt verschiedene Instrumente zur Stimulierung der Konjunktur auf ihre Vor- und Nachteile abzuklopfen, sagte Draghi: „Die allgemeine Haltung in der Sitzung war nicht ‚Abwarten‘, sondern: ‚Arbeiten und prüfen‘.“Die EZB pumpt schon seit März monatlich 60 Milliarden Euro in den Markt, indem sie den Geschäftsbanken Staatsanleihen und andere Wertpapiere abkauft. Das Programm ist insbesondere in Deutschland heftig umstritten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat wiederholt kritisiert, das billige Geld könnte zur Bildung von Blasen auf den Finanzmärkten führen.

 

Geringe Teuerung bereitet Notenbankern Kopfzerbrechen

Trotz der Ausweitung der Geldmenge drehte die Inflationsrate im Euroraum im September wieder leicht ins Minus, vor allem wegen des niedrigen Ölpreises. Draghi räumte ein, die geringe Teuerung erhöhe die Kaufkraft und werde deshalb von vielen Verbrauchern begrüßt. Sie bremse aber zugleich den dringend nötigen Abbau der Schulden, die vor allem in Südeuropa noch immer auf vielen Unternehmen und Haushalten lasten. Deshalb müssten „Umfang und Dauer“ des Kaufprogramms überprüft werden. Die EZB sei bereit, notfalls auch weitere Instrumente zu nutzen, fügte Draghi hinzu. Denkbar sei in diesem Zusammenhang auch eine Verschärfung der Strafzinsen, die Geschäftsbanken für Einlagen bei der EZB zahlen. Der Strafzins von derzeit minus 0,2 Prozent soll verhindern, dass die Geldhäuser Einnahmen aus dem Anleihekaufprogramm bei der Zentralbank parken, statt sie in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzuleiten.

Die Börse jubelt

An der Börse sorgte die Aussicht auf neue Geldspritzen für Kurssprünge: Der deutsche Aktienindex Dax kletterte im Verlauf von Draghis Pressekonferenz um rund 200 Punkte. Viele Analysten glauben, dass die EZB nun kaum noch daran vorbeikommen wird, die Anleihekäufe tatsächlich auszuweiten: Draghi habe entsprechende Erwartungen „massiv geschürt“, kommentierte etwa Jan Holthusen von der DZ Bank.