Neun Schüler und drei Lehrer der Anne-Frank-Real- und Gemeinschaftsschule sind Anfang Januar für zehn Tage Gast an der indischen Partnerschule Digambar Patkar in Mumbai gewesen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Sie habe viel erlebt, viel gelacht, aber auch mal geweint. In Summe sei es einfach eine tolle Zeit gewesen. So fasste Giulia Listanti in einer kurzen Mitteilung an ihre Familie und Freunde ihre Gefühle zusammen, als sie nach ihrer zehntägigen Indienreise wieder deutschen Boden unter den Füßen hatte.

 

Vom 8. bis 18. Januar war sie zusammen mit acht weiteren Schülern und drei Lehrern der Anne-Frank-Schule in Mumbai. Denn seit Anfang 2012 besteht eine Kooperation mit der indischen Partnerschule Digambar Patkar. Es ist eine Indian Education Society, halb staatlich, halb privat. Die Mädchen und Jungen tragen Uniformen. Die Klassenzimmer sind in etwa so groß wie die hiesigen. Der Klassenteiler liegt allerdings bei 72. Das ist ein Grund dafür, dass es in Indien fast ausschließlich Frontalunterricht gibt. Doch das sind nur einige wenige Dinge, die Mumbai von Möhringen unterscheiden.

Die Schüler müssen sich für die Reise bewerben

Wer die fremde Kultur kennenlernen und bei dem Schüleraustausch mitmachen will, kann sich dafür bei der Schulleitung bewerben. Giulia tat das. „Ich will mal die Welt bereisen, und da war Indien ein guter Anfang“, sagt die 15-Jährige. Sie sei ein großer Bollywood-Fan. „In den Filmen ist Indien immer ganz toll. Aber in Wahrheit ist es ganz anders“, sagt das Mädchen. Schön sei das Land, beeindruckend die Kultur. Aber der Lebensstandard sei mit dem in Deutschland nicht zu vergleichen. In manchen Häusern habe es nicht einmal Duschen gegeben, sondern nur ein paar Eimer mit Wasser. Und die Toiletten seien – sagen wir: anders gewesen als hierzulande.

„Die Menschen in Indien sehen diese Probleme. Aber sie sind alle so fröhlich. Wir sind die Bedenkenträger“, sagt Beate Müller. Die Schulleiterin bewundert die Lebenseinstellung der Inder und ergänzt: „In Mumbai ist eben alles gnadenlos bunt.“ Aber auch sehr chaotisch. Doch irgendwie liege genau in diesem Chaos die Schönheit Indiens.

In Indien leben Kinder auf der Straße

In der „Megacity“, wie Müller es nennt, leben schätzungsweise zwölf Millionen Menschen, mehr als in ganz Griechenland. Die Stadt besteht aus vielen kleinen Städten, die zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Kulturkreisen gegründet wurden und dann zusammenwuchsen. Der Verkehr ist eine Katastrophe. „Am Anfang weiß man nicht, wie man da über die Straße kommen soll“, sagt der Lehrer Holger Viereck und lacht. Doch nach nur einer Woche sei zumindest das irgendwie völlig normal gewesen.

Daran, dass in Indien Kinder auf der Straße leben, konnten sich die Besucher aus Möhringen aber nicht gewöhnen. „So etwas gibt es bei uns nicht“, sagt Tim Krauß und schüttelt entschieden den Kopf. Da habe er gesehen, wie dankbar er für sein Leben sein könne. Und dieses Gefühl halte noch immer an. „Man kommt anders zurück als man hinfährt“, sagt der 14-Jährige.

Die Anne-Frank-Realschule hat ein Patenkind

Zeichen dieser Dankbarkeit ist auch die Patenschaft, welche von der Schule vor einigen Jahren übernommen wurde: Das Mädchen Shweta Sudhakar Suryan lebt im Mutterhaus des Ordens „Helpers of Mary“. Dieser kümmert sich um Kinder, die von ihren Eltern nicht versorgt werden können, und nimmt arme, alte Menschen auf, die sonst auf der Straße leben würden. Shweta hat ihren Vater verloren, ihre Mutter ist blind. Das Mädchen hat noch zwei Geschwister. Um der Familie zu helfen, spendet jeder Anne-Frank-Schüler einmal im Jahr einen Euro.

In diesem Jahr lernten die Möhringer Schüler und Lehrer ihr Patenkind kennen. Die Menschen in dem Kloster begrüßten sie mit Liedern und Tänzen. „Wir fühlten uns wie Könige“, sagt Viereck. Auch die Gastfamilien seien sehr freundlich und hilfsbereit gewesen, bestätigen Jasmin Groß und Berit Göttler. Alle sind sich einig, dass sie irgendwann noch einmal nach Indien wollen. „Leider ist die Reise teuer“, sagt Tim. Im Vorfeld des Schüleraustauschs hatten die Mädchen und Jungen in einem Supermarkt Tüten gepackt und Kuchen verkauft, um sich ein bisschen Geld dazuzuverdienen. „Es ist schön, dass uns so viele Menschen unterstützt haben“ sagt Tim. Die Reise habe sich auf alle Fälle gelohnt.

Die Schule setzt die Partnerschaft fort

In den kommenden Wochen lädt die Schülergruppe zu einem Vortrag mit Bildern in den Musiksaal der Schule an der Hechinger Straße ein. Denn die Mädchen und Jungen wollen das, was sie erlebt haben, an ihre Mitschüler weitergeben. Voraussichtlich 2017 wird wieder eine Gruppe indischer Schüler nach Möhringen kommen, und 2018 reisen die Möhringer wieder nach Mumbai, so der Plan.