Die Universität Düsseldorf hat am Dienstag mitgeteilt, dass sie Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Doktortitel entzogen habe. Die Ministerin ließ noch am Abend mitteilen, dass sie die Entscheidung gerichtlich anfechten werde.

Düsseldorf - Die Universität Düsseldorf entzieht der CDU-Politikerin Annette Schavan den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel. Nach neun Monaten Plagiatsprüfung in mehreren Instanzen beschloss der zuständige Fakultätsrat am Dienstag, Schavan die Doktorwürde abzuerkennen. Schavan ließ über ihrer Anwälte mitteilen, dass sie gegen die Entscheidung klagen werde. „Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen uns sie ist auch materiell rechtswidrig“, hieß es in einer Erklärung.

 

Schavan ist damit nach dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das zweite Regierungsmitglied im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel, dem wegen Plagiatsvorwürfen der Doktorgrad entzogen wird. Knapp acht Monate vor der Bundestagswahl steht Schavans politische Zukunft auf dem Spiel.

Promotionsleistung für ungültig erklärt

Der zuständige Fakultätsrat habe die schriftliche Promotionsleistung für ungültig erklärt und beschlossen, den Doktorgrad zu entziehen, teilte der Ratsvorsitzende, Prof. Bruno Bleckmann, nach fast sechsstündigen Beratungen mit. Für die Aberkennung hätten zwölf Mitglieder des Rats der Philosophischen Fakultät gestimmt bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung.

Der Rat habe es als erwiesen angesehen, „dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“. Der Rat habe eine „vorsätzliche Täuschungsabsicht“ festgestellt. Schavans Anwälte betonten dagegen: „Eine Täuschung hat es nicht gegeben.“

Schavan hat keinen Studienabschluss mehr

Mit der Aberkennung des Titels besitzt Schavan nun keinen Studienabschluss mehr, weil sie seinerzeit direkt promoviert hatte.

Schavan, die derzeit in Südafrika ist, hat für ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Monat Zeit. Der Prozess könnte sich über Monate hinziehen und durch weitere Instanzen gehen. Die Uni-Entscheidung ist somit noch nicht rechtskräftig. Die Ministerin, eine enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht in ihrer Doktorarbeit stets bestritten.

Die Uni hatte das Hauptverfahren zur Aberkennung des Titels vor zwei Wochen eingeleitet. Die Prüfung der Arbeit „Person und Gewissen“ dauerte aber bereits rund neun Monaten an. Als Vorinstanz hatte die Promotionskommission die Dissertation Schavans geprüft und das Aberkennungsverfahren empfohlen. Dekan Bleckmann sagte, der Rat lehne es ab, an die Arbeit aus dem Jahr 1980 andere Maßstäbe anzulegen als heutzutage. Schavan habe in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu der umstrittenen Dissertation auf „Besonderheiten“ der Promotionskultur der 80er Jahre hingewiesen.

Erste Vorwürfe waren 2012 aufgetaucht

Klar sei aber, dass die Zitierstandards der Erziehungswissenschaft zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit die gleichen gewesen seien wie in der übrigen philosophischen Fakultät. In einschlägigen Leitfäden sei deutlich gemacht, dass nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte als Textplagiate zu werten seien und Sanktionen nach sich ziehen müssten.

Erste Plagiatsvorwürfe gegen Schavan waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht. Anders als bei dem im März 2011 zurückgetretenen Guttenberg galten ihre Zitierfehler als Grenzfall.

Rückendeckung hatte Schavan in dem umstrittenen Verfahren von ihrer Vertrauten Merkel, sowie von ihrem Heimatverband in Baden-Württemberg erhalten. Der Kreisverband Alb-Donau/Ulm stellte die Ministerin Ende Januar trotz des Plagiatsverfahrens wieder als Direktkandidatin für den Bundestag auf.

Schavan hatte sich von Guttenberg in dessen Plagiatsaffäre distanziert: „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich“, sagte sie Anfang 2011 in der „Süddeutschen Zeitung“. Nachdem die Universität Bayreuth Guttenberg den Doktorgrad im Februar 2011 aberkannt hatte, war er Anfang März 2011 zurückgetreten.

Rückendeckung aus Ulm

Für den Fraktionschef der CDU in Ulm, Thomas Kienle, hat die Universität nur „eine vorgefertigte Meinung bestätigt“. Positiv sei, dass im nun kommenden Klageverfahren die Betroffene gehört werden könne. Kienle gab sich überzeugt, dass Schavan keine Täuschungsabsicht nachgewiesen werden könne. Trotz der Plagiatsvorwürfe war Schavan erst Ende Januar in ihrem Heimatwahlkreis wieder als CDU-Bundestagskandidatin aufgestellt worden. 96 Prozent der Delegierten des Kreisverbands Alb-Donau/Ulm stimmten für die 57-Jährige.

Schavan wird vorgeworfen, in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit Zitierfehler gemacht und Quellen nicht richtig ausgewiesen zu haben. Die Vorwürfe waren im Mai 2012 im Internet anonym erhoben worden. Schavan hatte Flüchtigkeitsfehler in ihrer Dissertation eingeräumt, den Vorwurf der Täuschung aber stets zurückgewiesen. Die Ministerin hält sich zur Zeit zu politischen Gesprächen in Südafrika auf.

Schavan über Schavan – und das Plagiieren

In Plagiatsverfahren gegen andere Politiker hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) mehrfach kritisch Position bezogen. Nun entzieht ihr die Universität Düsseldorf selbst den Doktortitel.

Schavan wird vorgeworfen in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit Zitierfehler gemacht und Quellen nicht richtig ausgewiesen zu haben.

Die Ministerin hat sich mehrfah zum Thema Plagiieren geäußert:

„Ich finde, auch Minister haben den Anspruch, nicht vorverurteilt zu werden.“ (Angesichts der Plagiatsvorwürfe gegen Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der „Rheinischen Post“ vom 18. Februar 2011)

„Wissenschaft hat auch mit Vertrauen zu tun. Auf die Erklärung, eine Arbeit sei nach bestem Wissen und Gewissen verfasst worden, muss ein Doktorvater vertrauen können.“ ... „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich. Und das wird Karl-Theodor zu Guttenberg nicht anders gehen.“ ... „Er hat eine zweite Chance verdient, zumal doch alle wissen, dass er ein großes politisches Talent ist.“ (In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28. Februar 2011 über den Fall Guttenberg)

„Man kann den Universitäten nur raten, sehr bewusst und selbstkritisch mit dem Thema umzugehen und nicht auf eine möglichst hohe Zahl von Titelvergaben zu zielen.“ Der Doktortitel müsse „Ausdruck einer wissenschaftlichen Qualifikation“ und dürfe nicht ein „Statussymbol oder Titelhuberei“ sein. (In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 19. Juni 2011 zu den verschiedenen Plagiatsfällen in der deutschen Politik)

„Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht weise ich entschieden zurück.“ (In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vom 14. Oktober 2012 nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe gegen Schavan selbst)

„Die intensive Beschäftigung mit dem Text meiner Dissertation - auch im Zusammenhang mit meiner schriftlichen Stellungnahme zu der Ausarbeitung des Vorsitzenden des Promotionsausschusses - bestärken mich in meiner Überzeugung, dass meine Dissertation kein Plagiat ist. (...) Ich bin davon überzeugt, dass die unbegründeten Plagiatsvorwürfe ausgeräumt werden.“ (Schavan in einer schriftlichen Erklärung vom 23. Januar 2013)

„Der Vorwurf der Täuschung hat mich bis ins Mark getroffen. Hier geht es ja nicht um meinen Doktortitel, sondern um meine Integrität.“ (In einem erschienenen Interview mit der Ulmer „Südwest Presse“ vom 23. Januar)

„Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich. (...) Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben.“ (Auf „Zeit-Online“ am 30. Januar)