Die Anschläge in Brüssel haben erneut gezeigt, wie anfällig Europa für Terroranschläge ist. Der Terror wird sich nicht besiegen lassen, aber es lohnt sich, mit seinen Überzeugungen dagegen zu halten, meint der StZ-Redakteur Michael Maurer.

Stuttgart - Wir wissen noch nicht alles über die Hintergründe der grausamen Attentate von Brüssel. Wir wissen nicht, wer die Täter sind, die vermutlich im Auftrag der Terrororganisation Islamischer Staat gehandelt haben. Wir wissen nicht, ob die Sicherheitsbehörden tatsächlich mehr hätten tun können, um die Anschläge zu verhindern. Das alles werden die nächsten Tage weisen. Wir wissen nur eines: In Brüssel hat sich erneut das Gesicht des Terrors in unser Gedächtnis eingebrannt. Und beides werden wir nicht wieder los werden, nicht die Bilder des Terrors und schon gar nicht den Terror selber.

 

Denn die monströse Tat von Brüssel offenbart ebenso wie jene in Istanbul oder in Paris oder wie die länger zurückliegenden Attentate von London oder Madrid eine ebenso unabänderliche wie tieftraurige Wahrheit der Gegenwart: Terror und Tod gehören zu unserem Alltag. „Es ist passiert, was wir befürchtet haben“, stellt der belgische Premierminister Charles Michel erschüttert fest. „Europa ist ins Mark getroffen“, ergänzt sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte.

Guter Nährboden für die Gewalt

In dieser deprimierenden Wahrheit liegt kaum Hoffnung. Diesmal hat es Brüssel, Belgien, Europa getroffen. Es hätte genauso gut eine Metropole in Asien, ein Kleinstadt in Nordamerika oder ein Zentrum in Afrika sein können. Ganz zu schweigen davon, dass in anderen Regionen dieser Welt der Terror schon längst viel tiefer in den Alltag hinein gedrungen ist als etwa in Europa. In einer Welt voller Kriege, voller Ungerechtigkeit und voller Fanatismus findet die Gewalt als Mittel der Gegenwehr oder der brutalen Machtdemonstration immer einen guten Nährboden. Und in einer technisch sowie logistisch allumfassend vernetzten Welt findet diese Gewalt immer einen Weg, sich auszubreiten und dort zuzuschlagen, wo sich ihre Hintermänner den größten Schrecken versprechen. In deren widerlichem Zynismus spielen Menschenleben im Hinblick auf die Täter keine Rolle. Im Hinblick auf die Opfer werden sie unter dem Gesichtspunkt der propagandistischen Wirkung taxiert.

Natürlich ist es richtig, wenn nun Frankreichs Präsident François Hollande darauf beharrt, es handle sich um eine globale Herausforderung, die globale Antworten erfordere. Doch gleichzeitig ist es eine Illusion darauf zu hoffen, es gäbe diese eine Antwort, die dem weltweiten Terrorismus den Garaus machen könnte. Es gibt Maßnahmen, um ihn einzudämmen oder um einzelne Anschläge zu verhindern. Aber es wird nicht möglich sein, sämtliche Terrornetzwerke dieser Welt dauerhaft zu zerreißen. In Brüssel ist passiert, was wir geahnt und befürchtet hatten – und wir haben es wieder einmal hinnehmen müssen.

An den Werten festhalten

Was wir jedoch verhindern können und müssen ist, dass dieser Terror – wenn er schon nicht aus unserem Alltag zu verbannen ist – auch noch die Basis dieses Alltags zerstört. Es mag wie Ohnmacht klingen, ist aber doch eine ganz reale Macht, sogar die stärkste, die wir haben: Wir müssen die Grundlagen des Zusammenlebens aufgeklärter, demokratischer Nationen gegen alle Attacken verteidigen. Die Antwort auf die terroristische Herausforderung darf nicht sein, über Jahrhunderte erkämpfte Freiheitsrechte und rechtsstaatliche Prinzipien preiszugeben und dabei Gleiches mit Gleichem zu vergelten – in der vagen Hoffnung, dadurch mehr Sicherheit zu erlangen. So verständlich der Wunsch nach Sicherheit ist, es wird sie nicht geben.

Terrorismus allein kann keine ideellen Werte zerstören. Deshalb lohnt es sich, an ihnen festzuhalten und für sie einzustehen. Dies ist eine der wenigen realistischen Antworten auf die globale Herausforderung: Ihr könnt uns treffen, aber ihr könnt uns nicht besiegen. Viel mehr bleibt nicht als Hoffnung. Aber das ist schon eine ganze Menge – und weitaus mehr, als jeder Terrorist je als Erfolg wird verbuchen können.