Der verheerende Terroranschlag am Flughafen in Istanbul hat weltweit Entsetzen ausgelöst – auch in Stuttgart und in der hiesigen türkischen Gemeinde. Wir haben Reaktionen gesammelt.

Stuttgart - (StN). Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, saß am Dienstagabend beim traditionellen Fastenbrechen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Tisch, als die Nachricht von den Bombenexplosionen am Flughafen Atatürk in Istanbul in die Runde platzte. Sofuoglus erster Gedanke galt seinem Neffen, der bei Turkish Airlines als Pilot arbeitet. Er griff zum Telefon. Erleichtert vernahm er, dass der Neffe in Sicherheit ist; er hatte das Flughafengelände vor den Anschlägen verlassen. Beeindruckt war Sofuoglu von der spontanen Reaktion Kretschmanns, der den Terrorismus als „Pest des 21. Jahrhunderts“ bezeichnete. Sofuoglu pflichtet ihm bei. „Der Terror ist eine globale Herausforderung – die Antwort darauf müsse ebenfalls global ausfallen“, meint der in Stuttgart ansässige Vorsitzende der türkischen Gemeinde. Die Weltgemeinschaft müsse sich gegen jede Art von Terror stellen. Sofuoglu forderte, die Türkei in dieser Situation nicht alleinzulassen. Es sei ein falsches Signal, jetzt nicht mehr in die Türkei zu gehen. „Angst ist ein falscher Ratgeber.“ Anschläge hätten sich auch in Paris und Brüssel ereignet. „Sicherheit gibt es nirgendwo mehr.“

 

Verunsicherung in der türkischen Gemeinde

Das Entsetzen in der türkischen Gemeinde ist gleichwohl groß. Es herrsche Verunsicherung, sagt Sofuoglu. Viele der hier lebenden Türken bereiteten sich auf den Sommerurlaub in der Türkei vor. Außerdem würde am Dienstag das traditionelle Zuckerfest gefeiert.

Rückgang bei Türkeireisen

Betroffen von den Auswirkungen sind auch die heimischen Reisebüros: Als Reaktion auf den Anschlag habe eine Reisegruppe ihren Flug umgebucht, sagt Petra Garidis vom Stuttgarter Reisebüro Martinek am Mittwoch auf Nachfrage. Weitere Umbuchungen oder Stornierungen habe es nicht gegeben, was wohl an der allgemein geringen Nachfrage liege: Um 70 bis 80 Prozent seien die Buchungen bei Türkeireisen im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen, berichtet Garidis. „Nur einige wenige eingefleischte Türkeiurlauber verbringen ihren Urlaub in der Türkei.“ Für die Sommermonate Juli und August lägen keine Buchungen vor.

Rückgang bei Türkeireisen

Auch das Unternehmen SBB Reisen sieht seit Jahresbeginn einen Negativtrend in Sachen Türkeiurlaub. „Seit sechs Monaten läuft so gut wie nichts“, erklärt Boris Bogunovic die Lage. Das habe nicht nur mit den Anschlägen in der Türkei zu tun. „Vielmehr ist es eine Gemengelage aus negativen politischen Signalen und Anschlägen.“ Dafür stünden nordeuropäische Länder und Spanien bei den Urlaubern hoch im Kurs.

Reaktionen am Flughafen

„Am besten ist es, wenn man gar nicht drüber nachdenkt“, sagt am Mittwochmorgen eine Reisende am Flughafen in Stuttgart. Nach dem Anschlag ist die Anspannung bei Fluggästen der größten türkischen Fluglinie Turkish Airlines deutlich zu spüren. Kaum jemand will drüber reden. Ein älterer Herr, der in der Türkei Urlaub machen will, meint knapp: „Ändern kann ich’s jetzt auch nicht mehr, der Flug ist gebucht und findet statt, was soll’s.“ Ein Mitarbeiter am Service Desk der Turkish Airlines reagiert emotional. „Wir hatten schon Stornierungen, aber eine genaue Zahl darf ich nicht sagen“, teilt eine andere Mitarbeiterin mit. „Bei uns buchen die meisten eher die türkische Riviera, und die ist dann doch noch mal ein ganzes Stück von Istanbul entfernt“, sagt der Reiseberater von Tui. Deshalb habe es auch noch keine Stornierungen gegeben. Ein Flug nach Istanbul wurde am Mittwochmorgen gestrichen. „Alle anderen Flüge finden aber wie geplant statt“, sagt der Pressesprecher des Flughafens, Johannes Schumm. Nach Plan laufen auch die Sicherheitsvorkehrungen. Auf verschärfte Kontrollen nach dem Istanbuler Anschlag müssen sich die Fluggäste aktuell nicht einstellen.

Kuhn kondoliert

Täglich fliegen vom Landesflughafen bis zu 2500 Passagiere in die Millionenmetropole Istanbul, an die 1600 Fluggäste allein mit dem Ziel Airport Atatürk. Bis zu sechsmal steht Atatürk am Tag auf der Abflugtafel im Stuttgarter Flughafen. Damit ist der Airport für Stuttgart das wichtigste Drehkreuz in Richtung Asien. „Stuttgart fehlen die Landerechte in den Arabischen Emiraten“, erläutert Schumm. „Daher ist Istanbul für Stuttgart enorm wichtig.“

Kuhn kondoliert

Oberbürgermeister Fritz Kuhn drückt dem türkischen Generalkonsul in Stuttgart, Ahmet Akinti, am Mittwoch sein Mitgefühl aus. „Als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, in der viele Menschen aus der Türkei eine Heimat gefunden haben, bin ich über die terroristischen Anschläge in Istanbul zutiefst erschüttert.“

Keine verschärften Sicherheitsmaßnahmen