Bei einem Angriff der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf ein großes Militärkrankenhaus in Kabul sind dutzende Menschen ums Leben gekommen. Fast alle Opfer seien Patienten, Ärzte und Personal.

Kabul - Bei dem IS-Angriff auf ein großes Militärkrankenhaus in Kabul sind sehr viel mehr Menschen getötet worden als ursprünglich angenommen. Als Ärzte verkleidete Angreifer haben am Mittwoch ein Militärkrankenhaus in Kabul gestürmt und mindestens 49 Menschen getötet. Mehr als 70 weitere Patienten, Ärzte und Pfleger wurden bei dem Angriff auf Afghanistans größtes Militärhospital verletzt, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.

 

Zu der Attacke, die Spezialeinsatzkräfte erst nach rund sechs Stunden beendeten, bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Die mit Kalaschnikows und Handgranaten bewaffneten Angreifer waren in weißen Kitteln in das Sardar-Daud-Chan-Krankenhaus eingedrungen, das sich im Diplomatenviertel von Kabul befindet.

„Die Angreifer schießen überall um sich“

Wie Mitarbeiter des Krankenhauses sagten, sprengte sich zunächst ein Selbstmordattentäter an einer Hintertür der Klinik in die Luft. Dann hätten drei weitere Angreifer das Gebäude gestürmt. Mitarbeiter des Krankenhauses berichteten der Nachrichtenagentur AFP von chaotischen Szenen in dem 400-Betten-Haus: „Die Angreifer schießen überall um sich“, sagte der Verwaltungsmitarbeiter Abdul Hakim. „Wir versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bringen.“ Ein Krankenpfleger berichtete, wie die Angreifer vorgingen: „Ich sah einen der Angreifer mit einer Kalaschnikow und als Arzt verkleidet“, sagte Abdul Kader AFP. „Er schoss auf Patienten und Wachleute im dritten Stock.“ Ein Freund von ihm sei angeschossen worden, ihm selbst sei die Flucht gelungen.

Während sich die Angreifer über Stunden Feuergefechte mit Spezialkräften lieferten, setzten Krankenhausmitarbeiter verzweifelte Hilferufe ab. „Betet für uns“, schrieb ein Mitarbeiter im Online-Netzwerk Facebook. Auf Fernsehbildern waren Krankenhausmitarbeiter zu sehen, die sich in einer der oberen Etagen auf ein Fensterbrett geflüchtet hatten. Fast sechs Stunden lang wurde Kabuls Diplomatenviertel von Explosionen und Schüssen erschüttert, über dem Krankenhaus stieg dichter Rauch auf. Mindestens zwei weitere laute Explosionen waren zu hören, nachdem die Spezialkräfte mit einem Militärhubschrauber auf dem Dach der Klinik gelandet waren. Eine der Explosionen wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums von einer Autobombe auf dem Parkplatz der Klinik ausgelöst.

Opfer sind Patienten, Ärzte und Pfleger

Die Einsatzkräfte brachten Patienten in Sicherheit und verfolgten die Angreifer, die in den oberen Stockwerken des Gebäudes lange Widerstand leisteten. Erst nach fast sechs Stunden erklärte das Innenministeriums den Angriff für beendet. Die meisten Opfer seien Patienten, Ärzte und Pfleger, erklärte das Verteidigungsministerium. „Das ist ein krimineller Akt, nichts kann einen Angriff auf ein Krankenhaus rechtfertigen“, sagte der Einsatzleiter Abdullah Abdullah. „Wir werden diesen Verbrechern niemals vergeben“, sagte er. Die Verantwortung für den Angriff übernahm die IS-Miliz. „Eindringlinge des Islamischen Staates greifen das Militärkrankenhaus in Kabul an“, erklärten die Dschihadisten über den Kurzbotschaftendienst Telegram. Die islamistischen Talibanrebellen waren nach eigenen Angaben nicht an dem Angriff beteiligt.

Die UN-Unterstützungsmission in Afghanistan erklärte, der „feige Angriff“ auf das Krankenhaus verstoße gegen die „grundlegendsten Prinzipien der Menschlichkeit“. Auch das Auswärtige Amt verurteilte „in aller Schärfe“ die „feige und hinterhältige“ Attacke „auf wehrlose Patienten, auf Kranke und Verletzte und auf das Personal, das diesen Menschen hilft“.

Während in den vergangenen Jahren vor allem die Taliban für Anschläge in Afghanistan verantwortlich waren, ist in jüngster Zeit zunehmend auch der IS am Hindukusch aktiv. Für Anschläge mit vielen zivilen Opfern übernehmen die Taliban in der Regel nicht die Verantwortung. Erst vor einer Woche hatten die Taliban fast zeitgleich zwei Selbstmordanschläge auf eine Polizeiwache und ein Geheimdienstgebäude in Kabul verübt. Dabei wurden 16 Menschen getötet und mehr als 40 weitere zum Teil schwer verletzt.