Die Extremisten-Miliz Islamischer Staat überzieht Ägypten mit der bislang schwersten Anschlagsserie auf der Halbinsel Sinai. Mehr als 100 Menschen werden Sicherheitskreisen zufolge bei Angriffen auf Militär-Kontrollstellen getötet.

Kairo - Die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) hat Ägypten mit der bislang schwersten Anschlagsserie auf der Halbinsel Sinai überzogen. Mehr als 100 Menschen wurden Sicherheitskreisen zufolge am Mittwoch bei Angriffen auf Militär-Kontrollstellen getötet. Unter den Opfern seien viele Soldaten, aber auch Zivilisten. Etwa 300 Attentäter hätten Sicherheitskräfte in schwere Gefechte verwickelt, bei denen nach Armeeangaben auch drei mit Flugabwehrgeschützen ausgerüstete Geländewagen zerstört wurden. Mindestens 100 Angreifer wurden der Armee zufolge getötet. Den Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen erschütterten zwei Detonationen, in einem Kairoer Vorort erschossen Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben neun Bewaffnete.

 

Kämpfe dauern über acht Stunden lang

Zu den Angriffen auf dem Sinai bekannte sich der ägyptische IS-Ableger, die Sinai-Provinz. Die Gruppe wird für zahlreiche Anschläge auf der Halbinsel verantwortlich gemacht, die seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 massiv zugenommen haben. Die mindestens achtstündigen Kämpfe konzentrierten sich auf den Ort Scheich Suweid unweit der Grenze zum Gazastreifen. Dort umzingelten die Angreifer nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen eine Polizeiwache. In der Umgebung des Gebäudes seien Sprengkörper platziert worden, um eine Flucht der Sicherheitskräfte zu verhindern. Zudem hätten die Milizionäre eine Straße zwischen dem Ort und einem Armeestützpunkt vermint, um die Polizeiwache von Verstärkung abzuschneiden. Die Kämpfer hätten zwei gepanzerte Wagen, Waffen und Munition erbeutet, hieß es weiter. Die Armee ließ F16-Kampfjets und Apache-Hubschrauber aufsteigen, die im Tiefflug über die Halbinsel flogen. Die IS-Gruppe Sinai-Provinz erklärte in einer Stellungnahme, sie habe über 15 Stützpunkte von Armee oder Polizei angegriffen. Dabei habe sie auch drei Selbstmord-Attentäter eingesetzt. Der vor allem in Syrien und im Irak aktive Islamische Staat (IS) hatte seine Anhänger aufgefordert, während des muslimischen Fastenmonats Ramadan mit einer Welle von Anschlägen Stärke zu demonstrieren. Erst am Freitag hatten Anschläge in Tunesien, Kuwait und Frankreich die Furcht vor weiteren Attentaten von Islamisten angefacht.

Sicherheitskräfte erschießen neun Angreifer

In dem Kairoer Vorort „Stadt des 6. Oktober“ stürmten Einsatzkräfte eine Wohnung und töteten neun Männer. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wollte die Gruppe einen Anschlag verüben. Unter den Toten habe sich auch Nasser al-Hafi befunden, ein prominenter Ex-Abgeordneter der Muslimbrüder. Einen direkten Zusammenhang mit den Sinai-Anschlägen gab es aber offenbar nicht. Die Ausmaße der Explosionen in Rafah blieben zunächst unbekannt. Erst am Montag war in Ägypten der Generalstaatsanwalt bei einem Autobombenanschlag in der Hauptstadt Kairo getötet worden. Die Tat hatte die Frage aufgeworfen, ob die Führung unter Mursis Nachfolger Abdel Fattah al-Sissi in der Lage ist, die islamistische Gewalt einzudämmen. Anschlagsziel der Islamisten ist insbesondere der Sinai. Hunderte Polizisten und Soldaten wurden in den vergangenen Monaten getötet. Der Sinai ist seit Jahren ein Unruhe-Herd in Ägypten. Vergangenen April verlängerte die Armee den Notstand um weitere drei Monate. Eigentlich ist der Sinai nach dem Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten seit 1979 eine demilitarisierte Zone. Angesichts der zunehmenden gewaltsamen Vorfälle scheint Israel darauf aber nicht mehr zu pochen. Damit ändere sich die Lage grundsätzlich, sagte etwa ein Vertreter der Regierung in Jerusalem, der anonym bleiben wollte.