Am Sonntag tritt der VfB Stuttgart in der Mercedes-Benz-Arena gegen Eintracht Frankfurt an. VfB-Mittelfeldspieler William Kvist spricht im Interview über sich und die Trainererfahrungen, die er mit Bruno Labbadia und Thomas Schneider gemacht hat.

Stuttgart – - Es ist der 18. Mai 2013. Nach dem Saisonfinale gegen Mainz steht William Kvist (28) in den Katakomben der Mercedes-Benz-Arena und weiß nicht mehr, was er sagen soll. Wieder war er nicht zum Einsatz gekommen, wieder hatte der Trainer Bruno Labbadia demonstriert, dass sein einstiger Musterschüler beim VfB Stuttgart keine Perspektive hat. „So ist Fußball“, sagt Kvist schließlich doch noch. Heute ist der 18. September 2013. Vier Monate später ist Labbadia weg – und Kvist noch da. „So ist Fußball“, sagt er auch jetzt.

 

Im Juli 2011 kam er für 3,5 Millionen Euro aus Kopenhagen. Der VfB-Manager Fredi Bobic sprach davon, „dass wir so jemand gesucht haben.“ Der Führungsspieler.

Herr Kvist, was gab damals den Ausschlag für den Wechsel zum VfB?
Das war die beste Möglichkeit für mich. Ich habe zuvor ausführlich mit Fredi Bobic und Bruno Labbadia gesprochen. Sie haben mir einen klaren Plan aufgezeigt.
Spürten Sie da die Rückendeckung?
Bruno Labbadia hat gesagt, dass er auf mich baut und dass ich sein Mann bin. Aber ich habe dann irgendwann gespürt, dass die Chemie zwischen uns einfach nicht so richtig stimmt. Wir hatten nicht die gleichen Ansichten über Fußball.

Der Horizont von William Kvist endet nicht an der Eckfahne. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Der Querdenker.

Wie sehen Sie das Fußballgeschäft?
Ein bisschen als Zirkus. Alles ist extrem und geht sehr schnell. Es gibt eigentlich nur Schwarz oder Weiß – und keine Mitte mehr. Entweder bist du der Held oder der Depp.
Was heißt das für Sie?
Dass man selber definieren muss, wo man steht und was seine Werte sind. Die Relationen müssen stimmen. Das ist nur ein Beruf. Aber wir sind in erster Linie Menschen – wie meine Nachbarn.
Was sind Ihrer Meinung nach die krassesten Auswüchse in dem Zirkus?
Vielleicht dass das Interesse am Fußball und am Drumherum immer größer wird.
Wo ist die Grenze?
Schwer zu sagen. Aber ich habe Ökonomie studiert und weiß, dass jede Kurve irgendwann auch mal wieder in die andere Richtung geht – wann, ist die Frage.

Nach der vergangenen Winterpause hat William Kvist seinen Stammplatz beim VfB verloren. Er war abgeschrieben und gehörte zeitweise nicht einmal mehr zum Kader. Der Reservist.

Der Bruch erfolgte im März. Wie ist es dazu gekommen?
Da habe ich zu Bruno Labbadia gesagt, dass es besser ist, wenn wir uns im Sommer trennen. Unter den herrschenden Bedingungen konnte ich einfach nicht meine beste Leistung bringen.
Was meinten Sie damit genau?
Taktisch haben wir uns aus meiner Sicht leider nicht so weiterentwickelt. Im Training haben wir mit Vorliebe acht gegen acht gespielt. Das war oft hektisch, da ging es zumeist um viele Zweikämpfe.
Haben Sie über Ihren Standpunkt mit Labbadia gesprochen?
Ja, sehr offen sogar.
Hat Labbadia Ihnen gegenüber begründet, warum Sie draußen sitzen?
Ich wollte natürlich eine Erklärung. Er sagte, ich soll Vollgas im Training geben. Es könne alles Mögliche passieren.
 
William Kvist ließ sich nicht hängen und trainierte weiter wie zuvor – wohl wissend, dass er unter Labbadia keine Chance mehr bekommen würde. Der Profi.
 
Was bedeutet Professionalität für Sie?
Viele sagen, jetzt bin ich Profi, weil ich meinen ersten Profivertrag habe. Aber ich fühlte mich erst später als Profi, als ich begriffen hatte, dass ich die Verantwortung für meine Karriere trage. Ich bin in gewisser Hinsicht mein eigener Arzt und mein eigener Trainer.
Gibt es für einen Profi ein Tabu?
Die Frage lautet, ob ich alles mache, um mein Bestes geben zu können? Vielleicht ist es dann nicht gut, zum Beispiel bis morgens um vier Playstation zu spielen.
Würden Sie sich von der Einstellung her als Musterprofi bezeichnen?
Ja, ich besitze keine Playstation (lacht).
 
Der neue Trainer Thomas Schneider schätzt die Eigenschaften von Kvist wieder. Er ist wieder im Team. Der Rückkehrer.
 
Warum waren Sie am 26. August noch beim VfB, als Schneider sein Amt angetreten hat.
Das war einfach so.
Schneider hat gleich mit Ihnen gesprochen. Was hat er gesagt?
Nicht viel. Nur, dass alle wieder bei Null anfangen. Das hat mir gereicht.
Was ist unter Schneider anders?
Das Training. Jetzt trainieren wir so, dass es ein Vorteil ist, den Ball zu haben. Ich glaube, dass wir künftig einen VfB mit einem besseren Offensivspiel und mehr Ballkontrolle erleben werden.
Warum wird Ihnen bei Schneider nicht dasselbe passieren wie bei Labbadia?
Da gibt es keine Garantie, aber ich habe ein sehr gutes Bauchgefühl. Er bringt viele andere Ideen ein. Das passt.