Wir leben im Erdzeitalter des Menschen: Mit überwältigender Mehrheit empfiehlt eine Arbeitsgruppe, das „Anthropozän“ in die geologische Zeitskala aufzunehmen. Der Einfluss des Menschen auf die Erde sei global nachweisbar - und teils unumkehrbar, betonen sie.

Kapstadt/Berlin - Forscher wollen wegen der beispiellosen menschlichen Einflüsse auf den Planeten ein neues Erdzeitalter ausrufen. Demnach leben wir derzeit im Anthropozän (Menschen-Zeitalter). Eine zur Prüfung dieser Frage eingesetzte Arbeitsgruppe plädierte am Montag auf dem Internationalen Geologischen Kongress im südafrikanischen Kapstadt mit überwältigender Mehrheit dafür, den Terminus einzuführen. Bis der Begriff des Menschen-Zeitalters tatsächlich in die geologische Zeitskala übernommen wird, dürften aber Jahre vergehen.

 

Geologen teilen die Erdgeschichte in verschiedene Zeitalter ein. Demnach lebt die Menschheit derzeit im Holozän, das vor knapp 12 000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit begann. Die 35-köpfige Arbeitsgruppe plädiert mit 34 Stimmen bei einer Enthaltung dafür, dass das Holozän seit Mitte des 20. Jahrhunderts beendet ist.

Geprägt wurde der Begriff „Anthropozän“ im Jahr 2000 von dem US-Biologen Eugene Stoermer und dem niederländischen Meteorologen und Nobelpreisträger Paul Crutzen, dem früheren Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Seitdem wird das Wort ständig verwendet, aber nicht als offizielle Epoche.

Geologisch dauerhafte Veränderungen

Zu den Veränderungen durch den Menschen zählten neben dem Klimawandel die großräumigen Veränderungen der Kreisläufe etwa von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor, die Verbreitung von Plastik, Aluminium, Beton-Partikeln, Flugasche und radioaktivem Fallout sowie die beispiellose globale Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten. „Viele dieser Veränderungen sind geologisch dauerhaft und manche sind praktisch unumkehrbar“, schreibt die Arbeitsgruppe.

Das Votum der Arbeitsgruppe ist keine Überraschung. Umstritten war allerdings, wann das Menschen-Zeitalter beginnen sollte: Vorschläge waren unter anderem die Entdeckung Amerikas oder der Start der Industrialisierung. Die Arbeitsgruppe schlägt als Beginn - ebenfalls mit großer Mehrheit (28 Stimmen) - die Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Ein wichtiges Datum wäre der erste Atombombentest am 16. Juli 1945, dessen Folgen sich auf der Erdoberfläche weltweit nachweisen lassen.

In den kommenden zwei bis drei Jahren wollen die Wissenschaftler klären, welche in den Erdschichten abgelagerten Stoffe als Referenz für das neue Erdzeitalter dienen sollen. Dies könne etwa eine Kombination von Kunststoff, Rückständen aus Atomwaffen-Tests oder von Flugasche aus industrieller Produktion sein, sagte Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin, der der Arbeitsgruppe angehört.

Vorschlag muss bestätigt werden

Dieser Vorschlag muss dann von der Subcommission on Quaternary Stratigraphy (SQS) und danach von der Internationalen Kommission für Stratigraphie (ICS) bestätigt werden. Im letzten Schritt muss das Exekutivkomitee der International Union of Geological Sciences (IUGS) den Vorschlag ratifizieren.

Die formale Übernahme des Begriffs habe durchaus Signalcharakter, daraus ergebe sich ein Verantwortungsaufruf, sagte Leinfelder. Dies habe aber bei der Entscheidung der Arbeitsgruppe keine Rolle gespielt. „Wir wollen den globalen geologischen Einfluss des Menschen ordentlich belegen, unabhängig von gesellschaftlichen Diskussionen“, betonte Leinfelder. „Die übergeordneten Gremien wollen überzeugt werden.“ Dort gebe es ohnehin Skepsis, nicht zuletzt weil 12 000 Jahre - also die bisherige Dauer des Holozäns - für ein Erdzeitalter nach geologischen Maßstäben extrem kurz wäre.