Der Stuttgarter AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner hat im Streit um die Rede von Fritz Kuhn bei der Anti-Pegida-Demonstration auf Facebook den OB beleidigt. Jetzt droht ihm durch ein Parteiordnungsverfahren ein Rauswurf aus der eigenen Partei.

Stuttgart - Die Alternative für Deutschland (AfD) in Stuttgart distanziert sich von ihrem Stadtrat Heinrich Fiechtner und zieht auch Konsequenzen: Der Arzt ist nicht mehr kooptiertes Mitglied des Kreisvorstandes, außerdem wird gegen ihn ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet. Ihm droht also der Rauswurf.

 

Den OB in einer Facebookgruppe schwer beleidigt

Fiechtner hat nach StZ-Recherchen Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) in der vergangenen Woche auf Facebook wegen dessen Rede bei der Anti-Pegida-Demonstration schwer beleidigt. In einem von mehr als 400 Personen genutzten geschlossenen Diskussionskreis namens „Die Elefanten“ nannte er Kuhn einen „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“, der mit „Lüge und Falschbehauptung“ unbedarfte Bürger gegen friedliche Bürger aufhetze. Kuhn zeigte sich „schockiert über die Äußerung auf Facebook“. Wer so etwas schreibe, „mit dem ist keine ernsthafte politische Auseinandersetzung möglich“.

Öffentlich „Mein Kampf“ mit dem Koran verglichen

Fiechtner stand zudem unter Druck, weil er öffentlich Hitlers „Mein Kampf“ mit dem Koran verglichen und eine Pressemitteilung der AfD-Gruppierung im Gemeinderat mitgetragen hat, in der Kuhn als Hetzer und linksradikaler Agitator verunglimpft wurde. Der Vergleich stelle „ausschließlich die Privatmeinung“ von Fiechtner dar, hieß es in einer Mitteilung des Kreisvorstands. Es bleibe dem Parteifreund zudem „selbstverständlich freigestellt, als Privatperson bei Demonstrationen oder Kundgebungen zu sprechen. Ein Mandat der AfD, dies zu tun, hat er nicht“. Fiechtner hatte angedeutet, unter Umständen auf einer Pegida-Kundgebung zu sprechen, obwohl die Partei jegliche Verbindungen zu diesem Bündnis dementiert. „In gleicher Weise distanziert sich die AfD von herabsetzenden Äußerungen über Oberbürgermeister Fritz Kuhn“, hieß es.

Streit durch Äußerung des OB ausgelöst?

Fiechtner bleibt aber dabei: Der Streit sei durch die Äußerungen des OB bei der Anti-Pegida-Demonstration ausgelöst worden. Fritz Kuhn hatte die AfD im Bund gewarnt, Pegida gut zu heißen. Wer Flüchtlinge instrumentalisiere, mache sich zum Wegbegleiter von Faschisten. Kuhn sagte aber auch, die Würde des Menschen sei unantastbar. „Hetze und Diskriminierung sind ein Angriff auf diese Würde der Menschen, gegen die sie gerichtet sind.“

Danach sei die Auseinandersetzung eskaliert, so Fiechtner. Er habe den OB in einer geschlossenen Facebook-Gruppe herabgewürdigt. „Auf einer Gedenkveranstaltung für die ermordeten Journalisten in Frankreich habe ich den Koran mit Hitlers Mein Kampf verglichen. Dieser Vergleich war falsch. Beide Überreaktionen erfolgten in einer emotional aufgeladenen Situation; hierfür entschuldige ich mich ausdrücklich. Dem Herrn Oberbürgermeister werde ich mein Bedauern noch in geeigneter Form übermitteln“, so der Arzt. Er betonte, seine Mitstreiter und er hätten kein Interesse an einer Fortsetzung des Streits. Die dreiköpfige AfD-Gruppe möchte im Gemeinderat konstruktiv mitarbeiten, „wie es bereits in vielen Themen möglich war“.

Grüne, SPD und SÖS-Linke-Plus kritisieren die AfD

Die Angriffe auf den OB beschäftigen auch die Gemeinderatsfraktionen. Wie mit der AfD künftig umgehen, das ist die Frage, die für viele Räte nicht neu ist – die „Republikaner“ saßen schließlich ein Vierteljahrhundert im Gemeinderat. „Die Debattenkultur von Herrn Fiechtner und der AfD im Gemeinderat ist auf unterstem Niveau angelangt. Nach außen wird so getan, als ob man ernsthaft und respektvoll diskutiert, um außerhalb des Rathauses jeden Respekt zu vergessen“, kritisiert der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold. Fiechtner ertrage keinen Widerspruch.

„Auch diese Äußerung von Herrn Fiechtner ist nur schwer zu ertragen“, sagt Martin Körner (SPD). Der OB habe sich korrekt verhalten. „Er hat auch politisch mit einer richtigen Botschaft auf die Pegida-Bewegung reagiert.“ Kuhn habe die volle Unterstützung der SPD. Fiechtners Äußerung spreche für sich, sie richte sich letzten Endes gegen ihn selbst. Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus) sagt, mit der AfD sei ohnehin keine inhaltliche Zusammenarbeit möglich. Er sieht den OB nicht beschädigt; dazu bedürfe es mehr als „unsäglicher Angriffe der AfD“. Der FDP-Vorsitzende Matthias Oechsner war „sprachlos“. Die Vorkommnisse komplizierten die ohnehin schwierige Zusammenarbeit mit der AfD. Das Verhältnis zwischen OB und der Partei sieht er „nachhaltig beschädigt“.

Wir haben den Text am 13.01.2015 um 10:20 Uhr geändert. In der ursprünglichen Version wurde Martin Körner der Partei FDP zugeordnet.