Die Stadträte der Alternative für Deutschland behaupten weiter, mit Pegida nichts zu tun zu haben. Derweil vergleicht deren Sprecher, Lothar Maier, Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit einem „DDR-Chefpropagandisten“.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat die Attacke der AfD-Gemeinderatsgruppierung wegen seiner Rede auf einer Kundgebung gegen die Demos des Bündnisses „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) empört zurückgewiesen. „Wer einen Oberbürgermeister als Hetzer diffamiert, vergreift sich im Ton“, erklärte Kuhn. Offenbar wisse die AfD nicht, wie sie zu Pegida stehen solle.

 

AfD diffamiert Kuhn als „linksradikalen Agitator“

Lothar Maier, der Sprecher der dreiköpfigen Gruppe, hatte eine Pressemitteilung mit „OB Fritz Kuhn als linksradikaler Agitator“ überschrieben und ihm vorgeworfen, „den Weg des zivilen Umgangs mit demokratischen Parteien in Stuttgart verlassen zu haben“. Das Stadtoberhaupt hat ausweislich einer Abschrift der Rede das Stadtratstrio gewarnt: „Wer diese Pegida-Bewegung gutheißt, der instrumentalisiert Flüchtlinge und macht sich zum Wegbereiter von Faschisten, von Neonazis und von Rechtsradikalen. Das muss die AfD wissen, und sie muss der Bevölkerung sagen, wie sie dazu steht.“ Maier verwahrt sich dagegen und verglich Kuhn mit dem „DDR-Chefpropagandisten“ Karl-Eduard von Schnitzler. Eine Pegida-Demo, die gar nicht stattgefunden habe, werde als Vorwand genommen, um die AfD-Stadträte, „die weder mit der angeblichen Demo noch mit Pegida das Geringste zu tun haben, als faschistisch zu verleumden“. Kuhn sei ein „Marktschreier des Linksradikalismus“ und spalte die Bürgerschaft – „an diesen Praktiken ist schon einmal eine deutsche Demokratie zugrunde gegangen“. Die AfD-Vertreter Maier, Eberhard Brett und Heinrich Fiechtner forderten den OB auf, Erkenntnisse über eine Verbindung zwischen der Gruppe und Pegida auf den Tisch zu legen oder zu schweigen.

AfD-Stadträte auf ominöser Homepage

Die Nähe existiert zumindest im Internet. So beschäftigen sich etwa die Seiten pegida.tk oder auch almut.tk ausführlich mit dem Pegida-Bündnis, sie zeigen aber gleichzeitig zahlreiche Logos in den AfD-Farben Rot und Blau, bieten Zitate und Redenauszüge des Parteigründers Bernd Lucke und seiner Vertreter sowie rechtspopulistische Literatur an. Im Bild sind einige Personen zu sehen, neben Spitzenpolitikern der AfD auch die drei Stadträte aus Stuttgart. Die Anfrage, ob diese Präsentation mit ihrem Wissen zustande gekommen ist, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Verantwortlich für die Seite zeichnet eine Gruppe, die sich „Alternativer Mut für Deutschland“ nennt und Wert darauf legt, dass es sich um keine offizielle Seite von AfD oder Pegida handele.

Rätsel über „Menschenmassen aus fremden Kulturkreisen“

Neben diesem Internethinweis hat nach Ansicht der Grünen vor allem Stadtrat Fiechtner in den vergangenen Wochen den Verdacht erhärtet, die AfD stimme mit diskriminierenden Ansichten von Pegida überein, etwa wegen der Debatte über eine neue Praxis für Schwangerschaftsabbrüche, in der er auch schweres Geschütz gegen den zuständigen Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) auffuhr. Beim Thema Unterbringung von Flüchtlingen sprach er vom „deutschen Volk“, das ein „gutartiges und großherziges“ sei. In einer Bewerbung zum AfD-Beisitzer beschwört er ein Szenario vom ungezügelten „Zuzug großer Menschenmassen aus fremden Kulturkreisen“ herauf, die sich nicht integrieren wollten.

Nicht alle Pegida-Anhänger in rechte Ecke stellen

„Der Angriff gegen den Oberbürgermeister ist eine Unverschämtheit“, sagt FDP-Stadtrat Bernd Klingler zu den Vorwürfen der AfD. Wie Grünen-Chef Peter Pätzold sieht er aber nicht nur die Person, sondern auch das Amt attackiert. Pätzold verweist auf die breite Unterstützung der Gegendemonstration, etwa durch das Evangelische Bildungswerk Hospitalhof, den Schwäbischen Heimatbund, den Stadtjugendring oder die Gewerkschaft Verdi. „Alle als linksradikal zu betiteln, ist eine Unverschämtheit und zeugt zudem von wenig Kenntnis.“ Die Frage, wie es die AfD mit Pegida halte, müsse sie zügig beantworten. Bislang falle die Partei eher durch eine große Nähe zu diesem Bündnis auf. FDP-Stadtrat Klingler sieht die AfD-Stadträte überfordert. Es sei aber unfair, alle Pegida-Teilnehmer in die rechte Ecke zu stellen. Dafür erntet er freilich vom OB volle Zustimmung: Nicht alle, die in Dresden mitliefen, seien Rassisten oder Neonazis, hatte er bei der Demo festgestellt. Manche seien frustriert und hätten Abstiegsängste.