Am Samstag wird in Ludwigsburg für Toleranz und gegen Rassismus demonstriert – doch im Vorfeld gibt es Kritik an der Veranstaltung. Der Mitorganisator Subramaniya Suresh erklärt im Interview, warum die Kundgebung so wichtig ist.

Ludwigsburg – - Bei einer Kundgebung auf dem Ludwigsburger Marktplatz wird an diesem Samstag gegen Rassismus und für kulturelle Vielfalt demonstriert. Subramaniya Suresh aus dem städtischen Integrationsbeirat hat die Aktion mitorganisiert, die unter anderem von mehreren Parteien, den Kirchen, der Caritas oder der IG Metall unterstützt wird. Im Interview spricht Suresh über die Toleranz der Ludwigsburger, die Pegida-Bewegung – und die Notwendigkeit, gerade jetzt ein Zeichen zu setzen.
Herr Suresh, sind die Ludwigsburger intolerant? Ist die Stadt intolerant?
Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.
Warum braucht es dann eine Kundgebung gegen Intoleranz?
Weil wir die Harmonie, die hier zwischen den Migranten und den sogenannten Biodeutschen herrscht, aufrecht erhalten wollen. Auch hier gibt es Menschen, die diesen Frieden stören wollen, auch hier gibt es Pegida-Anhänger. Das macht uns Angst, nicht nur den Migranten – ich weiß aus vielen Gesprächen, dass auch viele Deutsche besorgt sind. Wir müssen den Ressentiments etwas entgegensetzen.
Dennoch gibt es Kritik an der Kundgebung. Stadträte der CDU und der Freien Wähler haben im Vorfeld erklärt, die Aktion sei überflüssig – schließlich gebe es in Ludwigsburg keine Probleme und auch keinen Pegida-Ableger.
Wir müssen vorbeugen. Wir dürfen doch nicht warten, bis es brennt, sondern sollten vorher das Holz nass machen. Darum geht es. In Stuttgart hat es auch Kundgebungen gegen Intoleranz gegeben, und die haben sehr gut funktioniert – die Pegida-Bewegung hatte dort keine Chance. Außerdem geht es am Samstag nicht nur gegen Pegida. Wir demonstrieren für kulturelle Vielfalt und für Toleranz – das ist auch ein Zeichen an die Migranten, die hier leben. Und die freuen sich sehr darauf, das haben mir viele bestätigt.
Ein anderer Kritikpunkt lautet, es handle sich letztlich um eine Aktion der Linkspartei. Auch deshalb wollen die CDU und die Freien Wähler nicht mitdemonstrieren.
Es stimmt, dass die Idee ursprünglich von der Partei Die Linke gekommen ist. Aber inzwischen wird die Kundgebung von vielen Parteien und Gruppen getragen, auch von den Kirchen und Gewerkschaften – das ist keine parteipolitische Veranstaltung. Deshalb finde ich dieses Argument merkwürdig. Ich glaube, dass ist eine rein politisch motivierte Kritik, weil einige die Linkspartei grundsätzlich ablehnen. Ich bin parteilos, und ich sympathisiere mit keiner Partei, und mir ist völlig egal, wer die gute Idee als erster hatte. Diese Kundgebung ist einfach eine gute Sache, sonst nichts.
Sie selbst sind in Indien geboren, leben aber bereits seit vier Jahrzehnten in Deutschland. Sind Sie hier wegen Ihrer Herkunft oder Ihrer Hautfarbe jemals beleidigt oder angegriffen worden?
Ich hatte mal einen Arbeitskollegen, der hat mich ständig provoziert und wegen meiner Hautfarbe als den ‚Angerösteten’ bezeichnet. In einem Supermarkt hat mich einmal ein Mann beschimpft und gesagt, ich solle abhauen nach Hause, man wolle mich hier nicht. Aber nennenswerte Probleme hatte ich nie, und angegriffen wurde ich auch nicht – ich habe ein gutes Karma. Dass man beleidigt wird – das kann einem anderswo genauso passieren, auch in Indien. Das kränkt mich nicht.
Dann noch mal zurück zur Eingangsfrage, nur andersherum formuliert: ist Ludwigsburg eine tolerante Stadt?
Absolut. Es ist eine friedliche, eine freundliche Stadt. Es ist herrlich hier. Als ich hierher kam, sind die Menschen mir sehr entgegengekommen. Auch andere Migranten fühlen das so: Wir sind stolz, Ludwigsburger zu sein. Das sieht man auch an den interkulturellen Festen oder am interreligiösen Dialog, der in Ludwigsburg praktiziert wird. Die Stadt und die Bevölkerung geben sich viel Mühe, Menschen aufzunehmen und willkommen zu heißen.
Aber auch in Ludwigsburg gilt: Wenn irgendwo ein neues Flüchtlingsheim eröffnet werden soll, gibt es häufig Protest.
Ich sage nicht, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Das ist eine Stadt mit 90 000 Einwohnern, natürlich sind darunter welche, die Vorurteile haben. Das ist normal, und gewisse Ängste sind auch menschlich. Ich will das nicht verharmlosen, aber es ist eine Minderheit, die so denkt. Ich kann abends durch Ludwigsburg laufen und muss keine Angst haben. In vielen Städten und Ländern ist das anders.
Und trotzdem haben Sie die Sorge, dass Deutschland wieder weiter nach rechts rücken könnte – sonst müssten Sie nicht demonstrieren.
Deutschland hat in dieser Beziehung einen großen Schritt gemacht, ist viel offener und toleranter geworden, das ist mustergültig – und andere Länder könnten sich davon durchaus etwas abgucken. Aber es gibt Gruppen, die ein Thema aufgreifen und versuchen, das Land zu spalten. Pegida ist eine Schande, diese Menschen sind voller Hass und Neid. Es wäre entsetzlich, wenn es ihnen gelingen würde, den Frieden, der hier aufgebaut worden ist, zu zerstören.
Wie viele Teilnehmer brauchen Sie am Samstag, damit die Kundgebung ein Erfolg wird?
Ich denke nicht, dass das von einer Zahl abhängt. Die Sache ist jetzt schon eine Erfolg. Wenn wir Plakate aufhängen und Flyer verteilen, kommen wir mit den Menschen ins Gespräch, wir reden über Toleranz, tauschen uns aus. Das ist viel wert. Und ich habe dabei nicht ein einziges Mal Kritik gehört. Die Menschen in Ludwigsburg wollen diese Kundgebung.