Bundesinnenminister Thomas de Maizière nimmt bei seinen Vorschlägen zum besseren Schutz vor Terror viel Rücksicht auf die SPD und weniger auf die eigenen Parteifreunde.

Berlin - Eine gewisse Eile war durchaus geboten. Denn für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) war politische Gefahr in Verzug. Die Unionskollegen unter den Innenministern der Länder wollen in der kommenden Woche eine „Berliner Erklärung“ verabschieden. Wie zu hören ist, führt da der mecklenburg-vorpommersche Innenminister Lorenz Caffier die Feder. Dort sind im Herbst Wahlen und die Perspektiven für die Union düster. Da kann man erwarten, dass die Erklärung so laut ausfallen soll, dass sie im anschwellenden Wahlkampfgetöse auch vernehmbar bleibt – einschließlich der üblichen Zuspitzungen: Burkaverbot, Einsatz der Bundeswehr im Innern, doppelte Staatsbürgerschaft.

 

De Maizière will eine andere Debatte. Praxisnäher, realistischer. Er ist der Innenminister einer großen Koalition. Keiner der Maximal-Forderungen aus Unionskreisen wäre mit dem Regierungspartner SPD realisierbar. Am Donnerstag hat er einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der ganz auf Konsens getrimmt ist. Das ist seine Variante innenpolitischer Abrüstungspolitik. „Das uns Mögliche“ solle getan werden, sagt er. Die richtige Antwort auf die aktuellen Bedrohungen durch islamistischen Terror seien „nicht einfach mehr Gesetze“. Es gehe um „Ergebnisse und erzielbaren Konsens“. Tatsächlich legt der Minister ein Programm vor, das Redebedarf mit der SPD auslöst, aber Provokationen vermeidet. De Maizières Katalog gliedert sich in drei große Abschnitte: Personal und Organisation der Sicherheitsbehörden, Prävention und Integration, Härte gegen Straftäter und Gefährder. Die wichtigsten Maßnahmen im Einzelnen:

Personal und Organisation

Zusätzlich zu den in dieser Wahlperiode schon beschlossenen 4600 neuen Stellen bei Bundespolizei und Sicherheitsbehörden sollen bis 2020 zusätzlich Stellen „in mittlerer vierstelliger Größenordnung“ hinzukommen. Das Internet soll kein Schutzraum für Terroristen und Kriminelle sein. Deshalb wird eine Zentralstelle geschaffen, die „Methoden, Strategien und Produkte“ entwickeln soll, um Terror-Planung im Netz besser aufzuklären. 400 Stellen sollen dort entstehen. Verdeckte Ermittler sollen im „darknet“ gezielt illegalen Waffenhandel und Terror-Kommunikation aufspüren. Auch außerhalb des Internet soll bessere Sicherheitstechnik mehr Schutz bieten. An Bahnhöfen, Einkaufszentren und öffentlichen Räumen soll mehr und moderne Videotechnik zum Einsatz kommen. Die Bundespolizei soll Kennzeichenlesesysteme bei der Grenzfahndung einsetzen können.

Prävention und Integration

Die soziale Betreuung von Zuwanderern soll verbessert werden. Lehrkräfte in den Integrationskursen sollen im Bereich sozialpädagogischer Betreuung und Traumatisierung ausgebildet werden. Eine hotline wird eingerichtet, die es Flüchtlingen wie Sozialarbeitern ermöglicht, Hinweise auf psychische Veränderungen oder Tendenzen zur Radikalisierung bei ihren Mitbewohnern oder Schützlingen zu geben. Bei Sicherheitsüberprüfungen ankommender Flüchtlinge soll es möglich werden, Einblick in die social-media-Kommunikation über Handy zu nehmen, um Hinweise auf mögliche Terrorkontakte zu erhalten. Dazu soll es zunächst einen begrenzten Pilotversuch geben. In Umsetzung einer EU-Richtlinie soll das Waffenrecht so verschärft werden, dass der Internethandel streng kontrolliert werden kann.

Härte gegen Straftäter

Das Aufenthaltsrecht soll weiter verschärft werden. Bei der Abschiebehaft soll es einen neuen Haftgrund „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ geben. Schwer straffällig gewordenen Ausländern, die deshalb vor der Abschiebung stehen, soll so das Untertauchen oder das mögliche Begehen von Terrorakten unmöglich gemacht werden. Zudem soll es künftig ein Schnellverfahren für die Abschiebung straffälliger Ausländer oder Gefährder geben. Bei dem Instrument der Duldung von Ausreisepflichtigen wird eine Differenzierung eingeführt: Wer sein Ausreisehindernis selbst verursacht hat, etwa durch das Wegwerfen seines Passes, soll nur noch einen kurzen Abschiebe-Aufschub und „das unabweisbar Gebotene zur Sicherung des Lebensunterhalts“ erhalten. Die Sympathiewerbung für den Terrorismus soll unter Strafe gestellt werden.

Über all das mag nun eine heftige Debatte zwischen den Regierungsfraktionen beginnen. In keinem Punkt scheinen Verständigungen ausgeschlossen. Drei potenzielle Konfliktpunkte hat de Maizière selbst schon entschärft:

Bundeswehreinsatz im Innern

Da verweist der Innenminister auf die geltende Praxis. Längst gibt es die sogenannten Lükex-Übungen. Das Kürzel steht für „länderübergreifende Krisenmanagement-Übungen“. An diesen Übungen, die unter Leitung der Polizei den Einsatz von großen Katastrophenlagen trainieren, nimmt auch die Bundeswehr teil. Das werde weiter gemacht, „nicht mehr und nicht weniger“, stellte de Maizière klar. Er strebt also keine Änderung des Grundgesetzes an.

Ärztliche Schweigepflicht

Der Minister unterstrich gestern, dass er nicht daran denkt, die ärztliche Schweigepflicht auszuhöhlen, um an Informationen über traumatisierte potenzielle Amoktäter zu gelangen. Er möchte mit den Ärzten aber in einen Dialog treten, „wie man unter Wahrung der Schweigepflicht zu Lösungen kommen kann, Gefährdungen für die Bürger möglichst zu verkleinern“.

Doppelpass

Ausdrücklich betonte de Maizière, dass er, anders als mancher Parteifreund in der Union, eine neue Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft für „nicht sinnvoll“ hält. Der zwischen SPD und Union gefundene geltende Kompromiss „hat befriedet und ich finde ihn befriedigend“, sagte er. In seinem Katalog hat er nur einen Aspekt aufgenommen. Doppelstaatsbürger, die für islamistische Terrormilizen kämpfen, soll die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Eine Regelung, die heute schon für Doppelstaatsbürger gilt, die für reguläre ausländische Armeen kämpfen.

Burkaverbot

Da kämpft de Maizière gegen die eigene Partei. Er halte ein Verbot schlicht für „verfassungsrechtlich problematisch“ sagte der Minister. Man solle „nicht alles verbieten, was man ablehnt“, sagte er. Schon gar nicht „mit einem hingeworfenen Satz“. Das war deutlich.