Apple hat seine Fans selten enttäuscht - dafür jetzt umso mehr. Alle warteten auf ein iPhone 5, stattdessen gibt es eine Evolution des aktuellen Modells.

Cupertino - Die Hoffnung hielt bis zuletzt. Vielleicht sagt der neue Apple-Chef Tim Cook in typischer Manier seines Vorgängers Steve Jobs jetzt doch „...und noch eine Sache“ und zaubert ein radikal neues iPhone 5 hervor? Aber nein: Es blieb beim iPhone 4S, das ein neues Innenleben, aber das typische Glas-Sandwich-Aussehen des Vorgängermodells hat.

 

Und das nach einer Pause von 15 Monaten? Während Rivalen mit dem Google-Betriebssystem Android bereits größere Bildschirme und NFC-Chips für ein digitales Portemonnaie in ihre neuen Smartphones packen? Die Börse reagierte entsprechend enttäuscht. Kurz bevor Tim Cook die Bühne betrat, stand die Apple-Aktie noch bei 380 Dollar. Danach setzte eine stete Talfahrt ein. Als der „persönliche Assistent“ Siri demonstriert wurde, der gesprochene Befehle wie „Wecke mich um 6.00 Uhr versteht“, zuckte der Kurs noch kurz nach oben. Doch das Fehlen eines iPhone 5 war einfach zuviel. Die Aktie rutschte an die Marke von 360 Dollar, binnen Stunden gingen Milliarden an Börsenwert flöten.

Anderer Effekt

Das gleiche Telefon mit einer 5 im Namen und einem veränderten Gehäuse hätte wahrscheinlich einen anderen Effekt gehabt - aber so tickt nun einmal Apple. „Gemessen daran, was sich im Inneren verändert hat, hätten sie es auch iPhone 5 nennen können, aber das wäre nicht die Art von Apple“, brachte es Gartner-Analyst Michael Gartenberg auf den Punkt. Auch beim iPhone 3G hängte der Konzern zunächst ein „S“ dran, bevor mit dem iPhone 4 eine komplett neue Generation kam.

Das neue iPhone hat jetzt einen deutlich schnelleren Chip, eine 8-Megapixel-Kamera, die noch mehr einfache Fotoapparate in der Schublade verstauben lassen wird, und eine neue Antennentechnik - nachdem sich manche Nutzer über Empfangsprobleme beim iPhone 4 beschwert hatten. Aber bei brandneuen Technologien, sei es die schnellere Funktechnik LTE oder NFC-Chips, wartet Apple traditionell, bis sie reifen und besser funktionieren. Schließlich hatte das Original-iPhone nicht einmal UMTS. Bleibt die Frage, ob Apple sich in dem rasant wechselnden Smartphone-Markt diese solide Fahrweise weiterhin erlauben kann.

Smartphones übernehmen den Markt

Denn es geht um außerordentlich viel. Smartphones übernehmen gerade den Mobilfunk-Markt. Das einfache Handy, einst allgegenwärtig, wird immer schneller zum Auslaufmodell. In entwickelten Märkten wie Westeuropa oder den USA ist bereits mehr als jedes zweite verkaufte Mobiltelefon ein Smartphone. Und die Marktanteile, die man jetzt erobert, könnten lange halten. Dafür sorgt allein schon die von Apple etablierte App-Ökonomie: Die 18 Milliarden im App Store geladenen Programme sind mit ein Garant dafür, dass die Nutzer nicht so leicht zur Konkurrenz wechseln.

Apples iOS-Plattform, die mit der neuen Version 5 kommende Woche noch mehr Funktionen bekommt, doch das Google-Betriebssystem Android wächst schneller. Getragen von Telefonen verschiedener Hersteller schoss es innerhalb von nur gut einem Jahr an die Spitze der Smartphone-Industrie. Allerdings landet bei Apple dank der cleveren Geschäftspolitik immer noch der Großteil der Branchengewinne.

Jetzt setzt der Konzern lieber auf ein verbessertes Erlebnis mit dem iPhone statt auf neue coole Hardware. Siri, der intelligente Assistent, der menschliche Sprache versteht, soll das Verhältnis zwischen Menschen und Maschine verändern. Zudem kann der Dienst in vielen Situationen Google ersetzen. Der Online-Speicherdienst iCloud soll das manuelle Synchronisieren von Daten vergessen lassen. Apple integriert Twitter und eine Funktion, mit der man den Aufenthaltsort seiner Freunde sehen kann. Der Kolumnist der Finanznachrichtenagentur Bloomberg, Rich Jaroslovsky, meinte: „Mein Verdacht ist, dass es zunächst Enttäuschung geben wird, aber mit der Zeit die Bedeutung von dem wachsen wird, was wir gesehen haben.“ Bleibt nur die Frage, ob und wie stark die Enttäuschung über das Fehlen der Zahl 5 im iPhone-Namen anhält.