Studienabbruch oder nicht? Es gibt viele Gründe, warum Studenten ihr Studium nicht forsetzen können. Die Arbeitsagentur hilft.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)
Stuttgart - Bill Gates ist ohne Uniabschluss Milliardär geworden, René Obermann ohne ihn zum Telekom-Chef aufgestiegen. Auch Fernsehliebling Günther Jauch hat ihn nicht und würde wohl trotzdem die Direktwahl zum Bundeskanzler locker schaffen. Karriere machen, das geht auch ohne Diplom, Magister oder Bachelor. Doch der Schritt, sich vom Uniabschluss zu verabschieden, ist oft mit einer Krise verbunden. "Wir haben bei uns keine Kultur des Scheiterns", sagt die Stuttgarter Berufsberaterin Jutta Gentsch. Dabei ist die Zahl der Betroffenen groß. Zwischen 20 und 30 Prozent der Studierenden in Deutschland brechen ihr Studium ab.



Wie sollen sie sich entscheiden: Sollen sie an der Uni bleiben, es mit einem anderen Fach versuchen oder vielleicht doch abbrechen und sich für einen Ausbildungsplatz bewerben? Vor diesen Frage stehen auch die 16 jungen Frauen und Männer, die an diesem Vormittag den Raum C 539 der Agentur für Arbeit Stuttgart aufgesucht haben, um bei Jutta Gentsch an einem Workshop für Studienabbrecher teilnehmen. "Es ist gut, dass Sie hier sind", werden sie von der Berufsberaterin begrüßt, die diese Seminare seit sieben Jahren regelmäßig anbietet. Die meisten säßen das Thema zu lange aus - dann ist es vielleicht zu spät, um das Fach zu wechseln und neu zu beginnen.

Überforderung oder Leistungsprobleme als wichtigstes Motiv


Drei Motive führen am häufigsten zu einem Studienabbruch, das hat eine aktuelle Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) ergeben: Überforderung beziehungsweise Leistungsprobleme (31 Prozent), Geldschwierigkeiten (19 Prozent) sowie Motivationsmangel aufgrund falscher Erwartungen (18 Prozent). Familiäre Probleme (sieben Prozent) und Krankheit (vier Prozent) sind hingegen seltener ein Grund für die vorzeitige Exmatrikulation.



Die Zahlen dieser Studie spiegeln sich zum Teil auch in den Schilderungen der 16 Teilnehmer des Workshops in der Nordbahnhofstraße wider. Da ist zum Beispiel Inken, die drei Semester Agrarbiologie an der Universität Hohenheim studiert hat, bis sie an Mathematik und Physik scheiterte. Nun überlegt sie, Reiseverkehrskauffrau zu lernen. "Dann habe ich etwas in der Hand, letztendlich kann man immer noch studieren, oder?"

Da ist der Luft- und Raumfahrtstudent Jonathan, der so viele Talente hat, dass er Angst hat, sich aufs Falsche festgelegt zu haben. Sein Studium erfolgreich beenden würde er wohl, aber was ist, wenn er in dem Beruf später nicht glücklich wird?

"Ich habe nicht die Selbstdisziplin"


Da ist Jan, der im siebten Semester Umweltschutztechnik an der Uni Stuttgart auf Diplom eingeschrieben ist, aber noch nicht einmal ein Vordiplom hat, obwohl ihn das Fach inhaltlich interessiert. Nur kommt er mit der Anonymität der Uni nicht klar. Die Bachelorstudenten sitzen ihm im Nacken, Jan ist kaum noch an der Uni zu finden. "Ich habe nicht die Selbstdisziplin, allein zu lernen."

Und da ist Zeynep, die im dritten Semester Pharmazie in Tübingen abgebrochen hat. Sie musste sich nebenher um den Haushalt ihrer Familie kümmern und täglich aus der Region nach Tübingen pendeln. "Irgendwann war alles zu viel."

Jutta Gentsch setzt im Workshop auf Gruppenarbeit. Die Studierenden geben sich gegenseitig Tipps, zum Beispiel über alternative Studienorte. Gemeinsam wird versucht, Lösungsansätze zu finden, wobei nicht für jeden viel Zeit bleibt. Jonathan zum Beispiel, dem sein Studiengang zu theoretisch ist, wird geraten, sich als studentische Hilfskraft zu bewerben oder ein Praktikum zu machen. Das Feedback der Gruppe: er solle nicht gleich abbrechen. Jan wiederum, der sich so schlecht motivieren kann, hat in dem Seminar eine Studentin aus seinem Fach getroffen, die ihm bei der Suche nach einer Lerngruppe unterstützen will.

Ein Trost ist zu wissen, dass es anderen auch so geht


Auch Kritik bleibt nicht aus. Inken zum Beispiel wird von Jutta Gentsch ins Gewissen geredet, weil sie sich schnell von ihrem Traum, mit Tieren zu arbeiten, verabschiedet, weil sie nah bei ihrem Freund bleiben will. Eine Beziehung halte nicht unbedingt, deshalb müsse sie auch an sich denken, mahnt die Berufsberaterin.

Schnell deutlich wird in der Runde, dass viele bei der ersten Wahl ihres Studienfaches nicht unbedingt zuallererst auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten geguckt haben. Besonders wichtig waren vielen eine gute Berufsperspektive und ein gesichertes Einkommen. Am Nachmittag arbeiten sie deshalb ihre Fähigkeiten heraus, um Job- oder Studienalternativen zu finden. Jan zum Beispiel erfährt, dass Lehrer zu ihm passen könnte. Allerdings kann er sich das selbst nicht vorstellen. Auch nach dem Seminar ist der 23-Jährige unschlüssig, aber: "Es tat gut, von anderen zu hören, denen es ähnlich geht wie mir."