Um die übrig gebliebenen Gesetze zur Arbeitsmarktreform zu retten, wird Premier Manuel Valls dies ohne parlamentarische Abstimmung auf den Weg bringen. Ihren Niedergang wird die Regierung so kaum aufhalten können, jetzt drohen auch noch Streiks.

Paris - Um die Arbeitsmarktreform zu retten oder das, was nach monatelangen Protesten aus ihr geworden ist, wird der in Frankreichs Nationalversammlung in die Minderheit geratene sozialistische Premier Manuel Valls das Gesetzeswerk an diesem Donnerstag ohne parlamentarische Abstimmung auf den Weg bringen. Der zur Wahrung der Regierungsfähigkeit geschaffene Verfassungsartikel 49.3 macht es möglich.

 

Die Vertrauensabstimmung wird Valls gewinnen

Den eigenen Niedergang kann die Regierung so allerdings kaum aufhalten. Nicht, dass sie darüber stürzen wird. Die Vertrauensabstimmung, mit der die Opposition den Griff zum wenig demokratischen Notbehelf beantworten kann und auch beantwortet hat, dürfte Valls am Nachmittag für sich entscheiden. So groß die Empörung der sozialistischen Parteirebellen schließlich auch ist, die in der Kündigungsschutz und Flächentarifvertrag aufweichenden Reform einen Verrat an linken Idealen sehen: sich mit der konservativen Opposition verbünden, den Sturz der Regierung herbeiführen und damit politischen Selbstmord begehen – das wollen die Aufständischen dann doch nicht.

„Ich werde nicht für die Rechte stimmen“, stellte Francois Lamy am Mittwoch klar, einer der profiliertesten Reformgegner in den Reihen der Sozialisten. Die absolute Mehrheit von 288 Stimmen, die zur Annahme des Misstrauensvotums erforderlich wäre, dürfte kaum zusammenkommen. An anderer Stelle freilich droht sich der Zorn umso heftiger Bahn zu brechen. Auf der Straße nämlich. Nach einer spontanen nächtlichen Demonstration vor der Nationalversammlung kündigten Gewerkschaftsverbände am Mittwoch für den 17. und 19 Mai landesweite Streiks und Proteste an. Die traditionell besonders streikfesten Eisenbahner wollen am 18. Mai unbefristet die Arbeit niederlegen. Der Ausstand richtet sich gegen Versuche, nach der Öffnung des Bahnverkehrs für private Dienstleister die Arbeitsbedingungen für Staatsangestellte nach unten zu nivellieren, wie auch gegen die Arbeitsmarktreform. Es gehe darum, einem Generalstreik den Weg zu bahnen, sagt ein Vertreter der Gewerkschaft CGT.

Jetzt droht ein Schrecken ohne Ende

Ein Ende mit Schrecken hatten sich Staatschef Francois Hollande und sein Premier von einer Verabschiedung ohne Abstimmung in der Nationalversammlung erhofft. Stattdessen droht nun ein Schrecken ohne Ende. Vor dem Griff zur Keule des Artikels 49.3 war es im Streit um die Arbeitsmarktreform immer wieder auch um die Sache gegangen. Zwei Punkte zumal hatten die Reformgegner erzürnt. Zum einen die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, mit einem Betriebsabkommen branchenweit gültige Regelungen außer Kraft zu setzen. Aus Sicht der Reformkritiker droht dies dem Sozialdumping Vorschub zu leisten.

Zum anderen galt der Widerstand den Arbeitgebern eingeräumten Kündigungsrecht im Fall eines vier Quartale anhaltenden Umsatzrückgangs, das ihnen auch dann zustehen soll, wenn ein Konzern allein in Frankreich rote Zahlen schreibt, nicht aber weltweit. Nachdem das Gesetz beschlossene Sache ist, walten nun die Emotionen. Valls beklagte am Donnerstag eine „Hysterie, die über das Lager der Parteirebellen hinausgeht“. Die Regierung hat sich mit allen überworfen. Die vom früheren Staatschef Nicolas Sarkozy geführten Republikaner verübeln ihr, dass sie aus einer sozialliberalen, eine Vereinfachung des Arbeitsrechts anvisierenden Reform ein in sich widersprüchliches, die Dinge verkomplizierendes Gebilde geschaffen hat.

Vielleicht landet das Gesetz in der Schublade

Grüne, Kommunisten und abtrünnige Sozialisten wie auch Gewerkschaften, Studentenverbände und die Protestbewegung „Nuit debout“ (Aufrecht in der Nacht) werfen der Regierung neben Sozialabbau nun auch noch undemokratisches Gebaren vor. „Wenn Valls jetzt sagen würde, Erdbeertorte für alle, würden die Aufrührer antworten, wir mögen keine Erdbeeren“, glaubt der regierungstreue Abgeordnete Christophe Borgel.

Nicht auszuschließen ist, dass die unter dem Druck der Straße ausgebeinte Reform letztlich ganz zurückgenommen wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein verabschiedetes Gesetz in der Schublade verschwindet. Dem Erstanstellungsvertrag war dieses Schicksal bereits beschieden gewesen. Als Anreiz zur Einstellung von Schul- und Studienabgängern hatte er einen verringerten Kündigungsschutz für Berufsanfänger vorgesehen. Die im April 2006 vom damaligen Premier Dominique de Villepin durchgesetzte Neuerung wurde nach Massenprotesten noch im selben Monat rückgängig gemacht.