Italienische Gewerkschafter haben mit einer Demonstration gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen mobil gemacht. Kritik gibt es insbesondere an der Lockerung des Kündigungsschutzes.

Rom - So viele rote Fahnen und rote T-Shirts hat man in Rom lange nicht mehr gesehen. Die drei vom linken Gewerkschaftsbund CGIL organisierten Demonstrationszüge mussten am Samstag früher aufbrechen als geplant, weil aus allen Teilen Italiens überraschend viele Teilnehmer nachströmten. „Wir sind eine Million!”, rief CGIL-Chefin Susanna Camusso vom Podium triumphierend in die Menge. Das war zwar übertrieben, weil der traditionelle Platz für gewerkschaftliche Großkundgebungen, der vor der Lateran-Basilika, zusammen mit den angrenzenden Straßen nur Raum für höchstens 250 000 Menschen bietet, aber dennoch: Bei ihrem Kampf für „Arbeit, Würde, Gleichheit“ hat Italiens Linke mal wieder Muskeln gezeigt.

 

Renzi lobt erfolgreiche Unternehmer

Die Kundgebung richtete sich gegen Ministerpräsident Matteo Renzi und gegen dessen Pläne zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Regierung plant in ihrem Maßnahmenpaket nicht nur bürokratische Erleichterungen und steuerliche Anreize für Unternehmer, sondern auch – am stärksten umstritten und großenteils schon wieder zurückgenommen – eine Aufweichung des in Italien rigorosen Kündigungsschutzes. Pikant war, dass an den Protesten auch bedeutende Vertreter von Renzis sozialdemokratischer Partei PD teilnahmen: der linke Flügel, der dem Premier und Parteichef vorwirft, programmatisch ins Lager der Rechten gewechselt zu sein. „Renzusconi“ stand denn auch auf einem Transparent. Da war der Hauptverdacht auf den Punkt gebracht: Renzi sei in Wahrheit nur ein verkappter Silvio Berlusconi oder dessen bester Handlanger.

Das Ziel der Proteste, Matteo Renzi also, hatte zur gleichen Zeit in Florenz seine eigene Kundgebung einbestellt. In den alten, aufgelassenen Bahnhof „Leopolda”, der in Renzis Karriere dieselbe stilisiert-mythische Rolle einnimmt wie die berühmte Garage aus den Anfangszeiten von „Apple“-Erfinder Steve Jobs – kamen zwar höchstens 12 000 Leute und die halbe Regierung. Dort aber diskutierte der Premier seine Reformen für Italien mit einem ihm gewogenen Personenkreis: mit Intellektuellen und – in vorderster Linie – mit italienischen Erfolgsunternehmern. Sie ließ Renzi auf die Bühne treten: „So wie Sie es gemacht haben, so schafft man Arbeitsplätze. Nicht aber mit Großkundgebungen”, sagte er mit Blick auf die Gewerkschaftsdemo in Rom.

Und doch, so schildern es Beobachter vor Ort, ließ ein leicht nervöser Renzi sich lückenlos darüber informieren, was zur gleichen Zeit in Rom erklärt wurde: Er wollte wissen, ob CGIL-Chefin Camusso den angekündigten Generalstreik für sofort ausrufen würde (sie tat es nicht und sagte nur, man sei „bereit dazu“), ob sich seine eigene Partei auf der Stelle spalten würde, oder ob sich auf gewerkschaftlich-linker Seite ein neuer, jüngerer Anführer profilieren würde, der ihm politisch gefährlich werden könnte.

Die Regierung rückt vom Sparkurs ab

Beides passierte nicht, eher herrschten bei der protestierenden Minderheit in Renzis eigener Partei resignative Töne vor – und Camusso konnte schlecht zum generellen Kampf gegen eine Regierung blasen, die zum erstenmal seit Jahren vom strengen Sparkurs abrückt, die Steuern senken und mit neuen Schulden den Staatshaushalt aufblähen will, damit Familien mehr Geld für den Konsum und Firmen mehr Geld für Investitionen bekommen.

„Ich gebe nicht nach; keine Großdemonstration wird mich aufhalten“, sagte Renzi in Florenz. Die Gewerkschaftsmassen sangen derweil in Rom traditionelle Lieder wie jenes: „Genossen, nehmt Sichel und Hammer, dann geht auf die Straßen und haut damit zu.“