Die Moorgebiete in Oberschwaben liefern exzellente Fundstücke aus vorhistorischer Zeit. Doch an der Luft zerfallen sie. In Esslingen sucht man nach der optimalen Konservierung.

Esslingen - Die ersten Wagen, die in Baden-Württemberg gebaut wurden, stammen aus dem Jahr 2900 vor Christus und hatten Räder aus Holz. Eines dieser Exemplare liegt auf dem Tisch im Untergeschoss des Landesamts für Denkmalpflege in Esslingen. Dort befindet sich die Abteilung Archäologische Restaurierung. Vor drei Jahren wurden die Gegenstände bei einer Grabung in einem Moor bei Bad Schussenried gefunden. „Eine epochale Entdeckung und ein fantastisches Objekt“, sagt Helmut Schlichtherle, der Leiter des Fachbereichs Unterwasser- und Feuchtbodenarchäologie. Das Rad ist bereits konserviert.

 

Aus einem wassergefüllten Becken holt Schlichtherle einen hölzernen Beilstil mit einem Zwischenfutter aus Hirschgeweih, das Werkzeug harrt noch seiner Konservierung. Fundstücke aus der Jungsteinzeit, der Bronze- und frühen Eisenzeit sind bisher für 120 Siedlungen zwischen Bodensee und oberer Donau dokumentiert, 15 davon wurden im vergangenen Jahr in die Liste des UN-Weltkulturerbes aufgenommen. „Die Feuchtigkeit schafft optimale Erhaltungsbedingungen, weil es das organische Material über Jahrtausende vom Sauerstoff abschneidet“, erklärt Schlichtherle.

Fundstücke werden eingefroren und dann gefriergetrocknet

Doch sind sie erst einmal gehoben, setzt bald der Verfall ein. Die Fundstücke müssen erst aufwendig konserviert werden, bevor sie ausgestellt werden können. Sie werden mit einer Lösung aus Polyethylenglykol getränkt, eingefroren und dann gefriergetrocknet. Das Gefriertrocken entzieht den Gegenständen das Wasser. „Würden die Restauratoren nicht eingreifen, wären diese Holzfunde nach kurzer Zeit Kompost“, sagt Professor Gerhard Eggert, der Leiter des Studiengangs Objektrestaurierung an der Kunstakademie Stuttgart.

Seit Anfang 2012 arbeiten sein Institut und das Landesamt für Denkmalpflege in einem Forschungsprojekt zusammen, um diese Methode zu verfeinern und neue Konservierungsmittel zu testen. Professor Eggert sagt, die Methode „klappt im Ganzen ganz gut, muss aber optimiert werden – vor allem wenn Materialien kombiniert werden, wie bei dem Beil mit der Hornmanschette“. Genau darüber verfasst die Diplomrestauratorin Ingrid Wiesner ihre Doktorarbeit. Ihre Forschungsfrage: „Wie kann man schneller konservieren, wie billiger?“ Ihr wichtigstes Werkzeug ist ein Gefriertrocknungsmikroskop, mit dessen Hilfe sie im Labor in Esslingen die Prozesse in den Zellen von Holz, Leder oder Geweih detailliert beobachten kann. Jörg Bofinger, der Referatsleiter Archäologische Denkmalpflege, lobt: „ Wir haben hier ideale Kooperationsbedingungen.“ Das findet auch Nicole Ebinger-Rist, die das Fachgebiet Archäologische Restaurierung leitet. „Wir sind sehr viel mit der Versorgung der Funde befasst und können im Alltag nicht auch noch Forschung leisten.“ Das Team von Archäologen und Restauratoren bereitet für das Jahr 2015 eine große Landesausstellung über die Pfahlbauten vor. „Wir haben Funde ersten Ranges, die wir da zeigen wollen“, sagt der Feuchtbodenarchäologe Helmut Schlichtherle: „Davon haben wir mehrere Kühlschränke voll.“

Das Pfahlbauten-Welterbe soll 2015 präsentiert werden

Wer sich selbst ein Bild von der Restaurierungstechnik machen will, hat am kommenden Sonntag, 9. September, Gelegenheit. Am „Tag des offenen Denkmals“ informiert das Landesamt in der Berliner Straße 12 in Esslingen von 11 bis 17 Uhr im Untergeschoss. In Seekirch-Ödenahlen (Kreis Biberach) am Rande des Federseerieds erhalten Besucher von 11 bis 15.30 Uhr Einblick in die dort entdeckte Steinzeitsiedlung, aus der viele der Funde stammen.