Wissenschaftler aus Syrien können in dem Bürgerkriegsland kaum noch ihrer Arbeit nachgehen – und fliehen. Einige von ihnen werden nun für einen Forschungsaufenthalt an deutschen Universitäten gefördert. Einer davon ist Ammar Abdulrahman.

Tübingen - Ammar Abdulrahman mochte seine Arbeit in Syrien. Die alten Kulturgüter aus der assyrischen Zeit, die historischen Stätten, Tell Ajaja zum Beipsiel oder Palmyra. Er kennt all diese Orte, sie gehörten zu seiner Arbeit als Archäologe, die Stätten, die Funde, die Überreste der Assyrer oder aus der Bronzezeit. Vieles davon ist heute zerstört, „überall dort, wo radikale Gruppen sind“, sagt Abdulrahman. Die alten Statuen, halb Stier, halb Mensch, einzigartige Grabmäler, alte Tempel, in die Luft gejagt von islamistischen Gruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat oder die Nusra Front. „Es ist traurig“, sagt der 46-Jährige, „diesen Radikalen ist unsere Kultur fremd, weil sie selbst fremd sind in Syrien. Sie haben kein Verständnis für die Kulturschätze.“

 

Der Bürgerkrieg in Syrien machte irgendwann auch seine Arbeit unmöglich. In der Nähe der Uni etwas außerhalb von Damaskus, wo er zu vorderasiatischer Archäologie forschte, gingen immer wieder Bomben hoch. Abdulrahman mietete für seine Familie ein Haus an der Küste, wo es noch sicherer war, und für sich ein Zimmer in Damaskus. „Aber ich konnte dort nichts mehr machen, nicht mehr weiterarbeiten“, sagt Abdulrahman, der als Professor und Direktor in der Archäologischen Abteilung der Universität Damaskus arbeitete. „Die meisten archäologischen Arbeiten im Land wurden aus Sicherheitsgründen gestoppt.“

Der syrische Professor kann in Tübingen weiterforschen

Vor zwei Jahren kam Abdulrahman daher nach Deutschland, arbeitete für eine Weile an der Universität Konstanz, gab Seminare und bereitete eine Ausstellung vor. In dieser Zeit erhielt er auch die Anerkennung als Flüchtling, holte seine Familie nach und lernte Deutsch. Als sein Vertrag am Bodensee auslief, nahm Abdulrahman Kontakt zur Abteilung für Vorderasiatische Archäologie der Universität Tübingen auf. 2001 hatte er dort einmal einen Vortrag gehalten, er kannte die Leute dort.

Der Tübinger Lehrstuhl schlug ein gemeinsames Forschungsprojekt vor, erarbeitete ein Konzept und erhielt dafür einen Zuschlag von der Alexander von Humboldt-Stiftung. Zwei Jahre lang wird Abdulrahman nun über die Philipp Schwartz-Initiative gefördert, wird gemeinsam mit dem Direktor der Tübinger Abteilung Forschungen zur Bronzezeit und der vorderasiatischen Archäologie machen, Seminare geben, wohl auch in den Nordirak fahren für Forschungen.

23 gefährdete Wissenschaftler können an deutschen Unis forschen und lehren

Abdulrahman ist damit einer von 23 Wissenschaftlern, die Schutz in Deutschland suchen und von der Schwartz-Initiative gefördert werden, weil sie in ihrer Heimat gefährdet sind oder ihnen Verfolgung droht. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien, einige aus der Türkei, auch aus Libyen, Pakistan und Usbekistan, forschen und lehren nun unter anderem auch in Karlsruhe, Heidelberg, in Leipzig oder Berlin – unterstützt von mehreren privaten Stiftungen und dem Auswärtigen Amt. „Ziel ist zum einen, dass die Wissenschaftler ihre Forschungen fortsetzen können“, sagt Georg Scholl von der Humboldt-Stiftung. „Zum anderen erhoffen wir uns, dass dadurch an den Unis hierzulande die nötigen Strukturen geschaffen werden, sodass solche Kooperationen insgesamt auch langfristig ermöglicht werden.“ So könne ein Netzwerk entstehen, ein noch stärkerer Austausch zwischen Wissenschaftlern weltweit. Perspektivisch, sagt Scholl, würden die nun geförderten Forscher wohl wieder zurück in ihre Heimat gehen.

Auch Ammar Abdulrahman möchte irgendwann wieder zurück nach Syrien gehen, „wenn die Situation dort besser ist“, wie er sagt. Auch jetzt noch hält er Kontakt zu seinen Studenten, korrigiert deren Arbeiten, hilft mit Unterlagen. Dort sei wegen des Konflikts momentan alles eingeschränkt, es gebe zum Beispiel kaum Zugang zu Büchern, sagt er. Wenn der Krieg zu Ende sei, müsste man all das wieder aufbauen, die Unis, die Forschung – aber vor allem auch die zerstörten Kulturstätten. „Sie brauchen uns dann da, sie brauchen Experten, die wissen, wie man all die Schätze restauriert.“