Cyrus Ghanai (52) ist gebürtiger Rheinländer. Doch längst ist er Schwabe ehrenhalber. Hat der Innenarchitekt doch an zwei Orten gewirkt, die dem Stuttgarter heilig sind: Am Fernsehturm und auf dem Volksfest.

Stuttgart - Die Kellnerin nutzte die Gelegenheit beim Schopfe. Ist doch praktisch, wenn der Innenarchitekt im Hause ist. Also zeigt sie ihm gleich mal, wo es in der neuen 0711-Loge im Göckelesmaier-Zelt noch hakt. „Könnten wir die Ablage hier nicht verkleiden“, das sähe besser aus“, sagt sie. „Gute Idee“, finden Ghanai und Hausherr Karl Maier. Also kommen demnächst Türen dran. Und die schmucke Loge wird noch hübscher. Knapp 100 000 Euro habe der Umbau gekostet, sagt Maier. Nach sieben Jahren ist damit die Rundumerneuerung des Zeltes beendet. Vorerst. Maier: „Das hört nie auf, sie müssen immer mit der Zeit gehen.“

 

Ein Festzelt, das war früher eine Trinkhalle. Da hat man Bretter zusammengezimmert, eine Plane drüber gespannt, dann Sägespäne auf den Boden gestreut, der Körperflüssigkeiten wegen, Bänke und Tische kamen drauf, ein Podium für die Musikanten, und los ging’s mit Gaudi und Gemütlichkeit. In München beim Oktoberfest sieht man den Zelten heute noch deutlich diese Herkunft an. Beim Cannstatter Volksfest übertreffen sich die Wirte dagegen in der Baukunst, als Wirt Michael Wilhelmer 2009 aufs Volksfest kam, schämte man sich fast, von einem Zelt zu reden. Ein Palast war’s eher. 200 Kubikmeter Beton fürs Fundament, 5000 Kubikmeter Baumaterial, 1300 Quadratmeter Fassade aus Altholz, das aus Südtirol und Österreich geliefert wurde, 30 000 Stunden schufteten die Handwerker, um das Zelt mit seinen knapp 5000 Plätzen zu bauen. Knapp 3,5 Millionen Euro soll er investiert haben, schätzen Wasenkenner.

„Das war schon etwas besonderes“, sagt Ghanai. Der bis dato die Festzelte zwar mit Interesse, aber nicht mit professionellem Blick betrachtet hatte. Der Rheinländer und gelernte Tischler und Restaurateur war 1986 zum Studium nach Stuttgart gekommen. Seit 1994 arbeitet er als Innenarchitekt. Er hat das Mama Spa gestaltet, die Schwäbische Bank, den Fernsehturm ungebaut, sowie die Tapasbar Rote Kapelle, die Suppenbar Irma la Douce, die San’s Sandwichbars und das Hegel Eins im Linden-Museum. Dort war Karl Maier zu Gast. Ihm gefiel was er sah. Man kannte sich ohnehin vom Kicken, „und dann hat er mich gefragt, ob ich nicht sein Zelt umbauen wolle“, erinnert sich Ghanai.

Betrunken hängen sich an die Lampen

Er wollte. Und schaute sich erst einmal alles ganz genau an. Ein Festzelt folgt eigenen Regeln. „Die Hülle ist ja kein Selbstzweck“, sagt Ghanai, „die Abläufe müssen funktionieren, da muss ein Rädchen ins andere greifen.“ Man muss sich fragen: Wo ist die Küche? Werden die Wege der Bewirtschaftung nicht zu lang? Wie viele Plätze bringe ich unter, ohne dass es wie in einem Billigflieger aussieht? Der Gast will schließlich nicht zu lange warten, und der Wirt Geld verdienen. Denn so ein Umbau ist teuer. Mehr als eine Million Euro hat sich die Brauerei Dinkelacker den Umbau des Festzelts der Brüder Klauss und Klauss kosten lassen. Ein Schmuckstück ist entstanden mit neuen Logen. Damit diese Investition sich rechnet, muss man eine Menge Bier und Göckele verkaufen. Das klappt nicht immer. Mit viel Hurra hatte ein Team um Marco Grenz sich mit dem sündhaft teuren Württemberg-Haus auf den Wasen gewagt. Es blieb bei einem einmaligen Versuch, und endete mit einer veritablen Pleite.

Das Geschäft ist also nicht so einfach, wie es scheint. „Voller als voller geht nicht“, sagt Karl Maier, „die Kosten steigen ständig, also müssen wir auch den Ertrag hochbringen, und das geht nur mit Qualität.“ Etwa mit einer Loge, in der es für gutes Geld mehr gibt als Göckele. So entwarf Ghanai zunächst die Böhm-Loge, die mittlerweile die Sansibar-Loge ist, und peppte nach und nach das Zelt auf. Er schuf eine Brücke im Mittelschiff, modernisierte die Wand bei der Küchenzeile, deren Anblick nun an einen „Barcode“ erinnert. Alpenländisches sieht man nur selten. Karl Maier und seine Frau Daniela wollten es modern und nicht verzopft.

Doch natürlich gibt es Sachen, die überall gleich sind. So muss man in einem Bierzelt stets darauf achten, dass alles leicht auf- und abzubauen und gut zu lagern ist. Und wie bei kleinen Kindern, muss man allen erdenklichen Unfug voraussehen. So müssen es etwa die Lampen aushalten, dass sich Betrunkene dranhängen.

Apropos Lampen. Die sind nicht nur robust, sondern auch raffiniert. Karl Maier kann nämlich jede Einzelne mit seinem Handy steuern. Moderne Zeiten im Festzelt.