Ob Tagblatt-Turm, Weißenhofsiedlung oder Grabkapelle: In der Stadtteilbibiothek in Stuttgart-Stammheim sind in einer Architektur-Ausstellung Modelle berühmter Bauten zu sehen.

Stammheim - Wie eigentlich kommt der Tagblatt-Turm in die Stadteilbücherei? Gleich im Eingang in seiner schlichten Größe und formalen Schönheit aufragend. Oder ein Modell der weltberühmten Weißenhof-Siedlung nebst dem historischen Hoftheater der Stadt, dem Züblin-Bau oder der Grabkapelle auf dem Württemberg. Schließlich, ganz oben, ganz spezielle Stammheimer Sahnehäubchen und ein ganzes Paket mit Fernsehtürmen.

 

Zu danken ist diese Premiere einer Architektur-Schau in der Bibliothek an der Kornwestheimer Straße Martin Hechinger, viele Jahre Vorsitzender des Bürgervereins. Hechinger hatte einst „Gießermodellbau“ gelernt, war zehn Jahre als Werkstattleiter bei Heinle, Wischer und Partner, einem der größten Architekturbüros überhaupt, durch „eine verdammt gute Schule“ gegangen – und hatte so die Basis erworben für einen ganz speziellen Spitzenjob an der Universität Stuttgart, den er über 30 Jahre ausübte: als Werkstattleiter der Fakultät Architektur und Stadtplanung, Abteilung Modellbau.

Aberhunderte Entwürfe und Modelle sind entstanden

Wann immer im Rahmen der Lehre Ausstellungsprojekte zu erarbeiten, historische Bauten zu rekonstruieren oder Gestaltungsprinzipien von Architektur-Berühmtheiten zu visualisieren waren, war Hechinger gefragt. Arbeiten, die er „mit Tausenden Studenten aus aller Welt“ realisierte. So sind Aberhunderte Entwürfe und Modelle entstanden, die von der Universität als stolzer Schatz gehütet werden: Modelle, die sonst „für viel Geld“ Ausstellungen rund um den Globus bereichern. Hechinger hat sie kostenlos bekommen.

Keine Chance, hier mit einer Vorbesichtigung schnell voranzukommen! Nicht, weil Hechinger bremsen würde, sondern weil jedes Model, jedes großformatige Objektfoto in brillantem Schwarz-Weiß, jede Bildfolge über den Entstehungsprozess eines Modells für sich fasziniert. Und Geschichten birgt, die fast immer über sich hinaus und in größere Zusammenhänge weisen. Denn Architektur ist immer auch gebauter Zeitgeist: „Das macht sie neben allen ästhetischen oder technischen Fragen so interessant“, betont Hechinger. So will er mit der Ausstellung, die mit Sicherheit auch im „Mutterhaus“ der Bücherei am Mailänder Platz ein Glanzstück wäre, sensibilisieren: „Dafür, wie Städte und Stadträume sich im Laufe der Zeit verändern. Das schafft einen weiteren Horizont, auch bei aktuellen Diskussionen.“ Seine Begeisterung gilt „mutigen Köpfen“ wie jenen, die etwa den Tagblatt-Turm ins Werk gesetzt haben: „Ringsum Butzenscheiben, und dann dieses erste Stahlbeton-Hochhaus in Deutschland. Es muss gebrummt haben in der Stadt!“

Die Modelle sollen Emotionen wecken

Sensibilisieren will er auch für das, was Modellbau leisten kann: „Es hat nichts mit einem Modellbaukasten gemein, wo Teilchen zusammengesteckt werden. Die Herausforderung ist, Geist, Charakter, Struktur und Funktion eines Bauwerkes in abstrahierter Form anschaulich zu machen. Das ist die große Herausforderung. Modelle müssen Emotionen schaffen.“ Als Teil der Überzeugungsarbeit für ein Vorhaben.

Was das konkret bedeutet, veranschaulicht neben Beispielen, die die „Stuttgarter Schule“ an der Spitze internationaler Entwicklungen zeigen, ein spezielles Sahnehäubchen der Schau, direkt aus Stammheim, mit Peter Hübners „Trio“: Jugendhaus, Rundschule und die (gefährdete) Arche: „Erst das Modell der Rundschule hat die Stadt von der Billiglösung abgebracht.“ Ein Kinderglück, das auch Martin Hechinger glücklich macht. Ein Glück, von dem diese Schau faszinierende Facetten bietet.

Info: Am Donnerstag, 15. Oktober, 18 Uhr, hält Martin Hechinger vor Ort einen Vortrag zur Ausstellung.