Benno Kny macht seit Langem alte Gemeinderatsprotokolle lesbar. Am Sonntag erscheint sein neuestes Werk.

Gerlingen - Insgesamt 40 Jahrgänge hat Benno Kny schon bearbeitet – der kleine Teil eines großen Schatzes. Im Gerlinger Stadtarchiv lagern die Protokolle der Gemeinderatssitzungen vom 1747 bis 1915 – die sind zum allergrößten Teil von Hand geschrieben. Die altdeutsche Schrift können viele Menschen aber heutzutage nicht mehr lesen. Deshalb braucht es eine Übertragung, will man sich an die Themen alter Zeiten auch künftig erinnern. Der Gerlinger Benno Kny hat die Aufgabe des Übertragens seit Jahren übernommen. Alle Protokolle von 1917 erscheinen nun in einem Heft, das am Wochenende beim Neujahrsempfang der Stadt abgegeben wird.

 

Im Jahr 1917 hatte Gerlingen rund 2000 Einwohner, der Ortsvorsteher hieß Adolf Lachenmaier, und alle bei den protokollierten Sitzungen anwesenden Mitglieder unterzeichneten die Niederschrift. Neben dem Gemeinderat gab es noch ein zweites Gremium: den Bürgerausschuss. Diese zweite Kammer existierte bis 1919. Beide Gremien mussten nur bei bestimmten Themen zustimmen, wie bei finanziellen Angelegenheiten. Handschriftliche Aufzeichnungen gab es bis ins 20. Jahrhundert: erst 1915 wurde für das Gerlinger Rathaus eine Schreibmaschine angeschafft.

Trotz der Maschinenschrift ist es empfehlenswert, die Originale zu übertragen, in ein Computersystem zu übernehmen und zu reproduzieren. In einer Beziehung waren die Beamten früher sehr vorausschauend: „Sie schrieben mit Tusche“, betont Kny, „und nicht mit Tinte.“ Hätten sie das gemacht, wären alle Bände beim Juli-Hochwasser 2010 verloren gewesen. So waren sie „nur“ gut durchnässt worden. Dank rascher Bergung und Gefriertrocknung blieb der Inhalt erhalten.

Heu für das Militär

Womit sich die „bürgerlichen Gremien“ 1917 beschäftigen mussten, mutet gelegentlich kurios an. So ist von einer Lieferung von 330 Zentnern Heu für das Militär die Rede. Holz war knapp, weil wegen des Krieges alles verfügbare Metall gebraucht wurde und beim Bauen mehr Holz verwendet wurde. Deshalb beschloss der Rat am 11. April 1917, im Wald 300 Festmeter Holz extra schlagen zu lassen. Am 14. Juli wurde erlaubt, zwölf Schweine zu schlachten „und zu Dauerware zu verarbeiten“. Auch andere Teile der Landwirtschaft wurden besprochen: im Ort gab es 277 Ziegen in den Farben weiß (48), schwarz (34) und rehfarben (195). Der Rat beschloss, dass mit der rehfarbenen Schwarzwaldziege weiter Zucht betrieben werden sollte.

Benno Kny (74) kam über das Deutsche Tagebuch-Archiv in Emmendingen zum Übertragen alter Schriften. Vor etwa zehn Jahren, so erinnert sich der 74-Jährige, sei er dort bei einer Versammlung gewesen – und mit einem handschriftlichen Tagebuch nachhause gefahren. Er habe versucht, dieses zu lesen und zu übertragen – knapp 40 Tagebücher seien es geworden. Dass er zu dieser Aufgabe gekommen sei, sei Zufall gewesen – es habe sich aber gelohnt. Und so war über seine Beziehungen in Gerlingen der Weg ins Stadtarchiv und zu weiteren Aufgaben nicht sehr weit. „Richtig Arbeit“ sei das gelegentlich, „an einer Seite sitze ich schon manchmal eine oder zwei Stunden.“ Und es ist ihm nicht sehr recht, wenn er trotz größter Mühe das eine oder andere Wort nicht entziffern könne. „Ich versuche, möglichst komplett zu liefern.“ Wie übrigens auch, wenn er das alte Protokollbuch eines Vereins oder den 70 Jahre alten Schriftwechsel einer Familie mit ihrem Vater an der Front in leserliche Form bringe.