Der ARD-Dauerbrenner „Lindenstraße“ verabschiedet sich in den Sommerurlaub und nährt Spekulationen über den Anfang vom Ende der Serie.

Köln - Die Nachricht hat in der Fangemeinde wie eine Bombe eingeschlagen: Erstmals in ihrer mehr als dreißigjährigen Geschichte macht die Dauerserie „Lindenstraße“ Sommerpause, genau fünf Wochen lang ist nichts von Mutter Beimer, Gabi Zenker oder Momo Sperling zu sehen. Ist das der Anfang vom Ende des Dauerbrenners, der seit 1985 die bundesrepublikanische Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern auch längst ein prominenter Teil davon geworden ist?

 

Unter vielen eingefleischten Fans ist jedenfalls das Zittern ausgebrochen, wie sich in den sozialen Medien zeigt. Kein Wunder, denn schon seit Jahren wird über das Ende der „Lindenstraße“ spekuliert, die Familienserie von Hans W. Geißendörfer wurde schon oft totgesagt. Am 9. Juli flimmert zur gewohnten Zeit um 18.50 Uhr im Ersten die letzte Folge der Serie (Episode 1637: „Eins, zwei, cha cha cha“) vor der Sommerpause über den Bildschirm, weiter geht es erst am 20. August.

Beim WDR in Köln, der die Serie über eine ganz normale Straße und ihre Bewohner in München produziert, will man von einer Krise oder gar einer baldigen Einstellung nichts wissen. Die WDR-Sprecherin Kathrin Hof spricht von einer „Kreativpause im Sommer“ und betont: „Während der Ferien ist das nichts Ungewöhnliches, auch andere Sendereihen legen eine Pause ein.“ Einen „Einspareffekt“, den der Verzicht mit sich bringe, bestreitet Hof keineswegs. Dass der „Lindenstraße“ in der Sommerpause Zuschauer weglaufen, glaubt sie nicht: „Unsere ‚Lindenstraße‘-Fans sind sehr treue Zuschauer, aber auch offen für Neues.“

Die Quoten sinken

Mit der Treue ist das freilich so eine Sache, schließlich sind der „Lindenstraße“ in den vergangenen Jahren viele Zuschauer abhandengekommen: Schalteten Mitte der neunziger Jahre noch an die neun Millionen Zuseher ein, waren es 2017 noch etwas über 2,3 Millionen Fans, auch der schwache Marktanteil von gerade mal 8,6 Prozent gibt Anlass zur Sorge. Als Produzent macht Geißendörfer immer mal wieder fehlende Werbung für den Quotenschwund verantwortlich und beklagt sich zuweilen, dass der WDR nicht offensiver für die „Lindenstraße“ trommelt.

„Die Quoten der Serie haben wir natürlich im Blick“, räumt Kathrin Hof vom WDR ein. Nicht unterschätzt werden dürfe aber „die wachsende Zahl der ‚Lindenstraße‘-Zuschauer online und in der ARD-Mediathek“. Doch wie geht es mit der Dauerserie, die zum deutschen Fernsehen gehört wie „Tagesschau“ und „Tatort“, weiter? Im Augenblick sei es noch zu früh, Fragen zur mittel- oder langfristigen Entwicklung der Serie zu beantworten, sagt die WDR-Sprecherin. Der aktuelle Vertrag zwischen dem Sender und der von Hans W. Geißendörfer und seiner Tochter Hana Geißendörfer geleiteten Produktionsfirma läuft noch bis 2019.

Für Geißendörfer ist der Dauerbrenner nach wie vor einmalig: „Ich glaube, die ‚Lindenstraße‘ ist die einzige Serie, die sich um die Ereignisse in diesem Land kümmert“, sagt der Produzent. Aber ist die Serie, die einst mit dem ersten schwulen Kuss im deutschen Fernsehen für Wirbel sorgte, wirklich noch ein Spiegel der Wirklichkeit? Sicher, nach wie vor werden aktuelle Themen aufgegriffen.

Seit Ende 2016 etwa lebt ein Geflüchteter in der Straße, Jamal macht gerade eine Ausbildung zum Pflegefachhelfer, und es gibt eine Transgender-Figur: Marek fühlt sich im falschen Körper gefangen und will als Frau leben. Doch mancher Serienaspekt wirkt aufgesetzt, die Fülle an kleinen und großen Dramen und Verbrechen vermittelt kein realistisches Bild vom Alltag in einer deutschen Straße, und eine erhöhte Zahl an Schnitten reicht längst nicht aus, um modernen Sehgewohnheiten gerecht zu werden.

Showdown nach der Sommerpause

Für die erste Folge nach der Sommerpause haben sich Sender und Produktion aber etwas ganz Besonderes ausgedacht: In der Episode 1638 mit dem Titel „Engelchen, flieg“ am 20. August werden nicht wie gewohnt drei Handlungsstränge parallel abgearbeitet, sondern nur ein einziger, der sich um die Familie Sperling dreht und die Geschehnisse der vorangegangenen Wochen, in denen keine „Lindenstraße“ lief, zusammenfasst. Es kommt zum Showdown zwischen Momo Sperling (Moritz Zielke) und Erzbösewicht Robert Engel (Martin Armknecht) – und der Großteil der Geschichte spielt sich nicht in der „Lindenstraße“-Kulisse auf dem Kölner WDR-Gelände ab, sondern wurde an Schauplätzen außerhalb des Areals gefilmt, was dem Ganzen einen ungewöhnlichen Look gibt.

Schon bald darauf soll auch die anstehende Bundestagswahl eine Rolle spielen, eine Art Wahlberichterstattung ist ja gute Tradition in der Serie. „Das wird selbstverständlich auch in diesem Jahr der Fall sein“, betont Kathrin Hof. „Mehr wollen wir dazu jetzt aber noch nicht verraten.“

Die letzte Folge der „Lindenstraße“ vor der Sommerpause läuft am kommenden Sonntag um 18.50 Uhr in der ARD.