Nicht erst im Sommer 1936 in Berlin, schon im Winter zuvor in Garmisch-Partenkirchen nutzten die Nazis Olympia als große Show der Propaganda. Eine ARD-Doku erinnert am Montagabend daran.

Garmisch-Partenkirchen - Wer sich ein bisschen für Geschichte interessiert, weiß natürlich, dass die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin stattgefunden haben und von den Nationalsozialisten weidlich zu Propagandazwecken genutzt worden sind. Fast in Vergessenheit geraten sind jedoch die Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen. Sie waren gewissermaßen der Probelauf für das sommerliche Spektakel, und das nicht nur in organisatorischer Hinsicht: Wenige Monate zuvor waren die sogenannten Nürnberger Rassegesetze erlassen worden. Hätten die Amerikaner die Veranstaltung in Garmisch-Partenkirchen boykottiert, wären auch die Pläne für das so genannte „Fest der Völker“ im Sommer Makulatur gewesen.

 

All das ist nun knapp achtzig Jahre her; die Eröffnung der IV. Olympischen Winterspiele war am 6. Februar 1936. Selbst für die Kriegsjahre wird es immer schwerer, Zeitzeugen zu finden; für Ereignisse, die noch länger zurückliegen, gilt das naturgemäß erst recht. Entsprechend betagt sind die Menschen, mit denen Nick Golüke und Michael Mueller gesprochen haben, und selbstredend haben diese das Geschehen in ganz jungen Jahren erlebt. Deshalb sind ihre Schilderungen gewissermaßen ungefiltert: weil sie sich für ihre Hingabe in Kindertagen nicht schämen müssen.

Während eine Mitschuld der alten Damen und Herren nicht diskutiert wird, erklären die Autoren die Besucher der damaligen Winterspiele zumindest indirekt mindestens zu Mitläufern des Systems („Die Massen strömen, um sich blenden zu lassen“); bei vielen könnte es schlicht Sportbegeisterung gewesen sein. Unbelegt bleibt auch die Behauptung „Die Propagandamaschine läuft auf Hochtouren“. Der Satz fällt, als der Film dokumentiert, mit welchem Aufwand an Menschen und Material über die Spiele berichtet wurde. Aber wo genau fing die Propaganda an? Das bleibt unerklärt.

800 Mitglieder der NSDAP – war das viel?

Auch sonst ist das Strickmuster der Dokumentation mitunter etwas schlicht: Unpolitische Passagen werden mit harmlosen Klängen unterlegt, düstere Streichmusik signalisiert rechtzeitig, dass es jetzt ernst wird. Ohnehin dienen nicht alle Informationen der Wahrheitsfindung. Dass Garmisch und Partenkirchen alles andere als begeistert über ihre Zwangsfusion waren, ist ein interessantes Detail, hat aber mit dem politischen Hintergrund der Spiele ebenso wenig zu tun wie die Erinnerungen der alten Männer an Raufereien zwischen den Jugendlichen aus den beiden Orten. Andere Fakten bleiben wenig aussagekräftig: Dass 800 Garmisch-Partenkirchener Mitglied der NSDAP waren, sagt für sich genommen nicht viel aus, wenn man nicht weiß, ob das Mitte der Dreißigerjahre viel oder wenig waren.

Filmisch sind die Möglichkeiten bei derartigen Sujets begrenzt. Interviewpartner, zeitgenössische Aufnahmen von den Wettkämpfen, dazwischen ein Schwenk über die heutige Doppelstadt: viel mehr Möglichkeiten hat man nicht. Die Informationsvermittlung ist daher zwangsläufig fast ausschließlich akustischer Natur.

Immerhin gibt es im Verlauf der 45 Minuten auch hochinteressante Aspekte, die über das Offensichtliche hinausgehen. Viel spannender als der Lokalkolorit, zumindest in Bezug auf das zentrale Thema des Films, sind zweifellos die sportpolitischen Hintergründe. Die Schilderungen der Historiker lassen darauf schließen, dass es im Internationalen Olympischen Komitee jener Jahre ähnlich selbstherrlich zugegangen ist wie zu heutigen Zeiten bei der FIFA: Dass Juden aus deutschen Sportvereinen ausgeschlossen wurden, war für den späteren IOC-Präsidenten Avery Brundage kein Argument, um den Nationalsozialisten die Spiele wieder wegzunehmen. Bezüge zur Gegenwart stellen Golüke und Mueller allerdings nicht her. Aber die Verflechtung von Sport und Politik böte auch Stoff genug für einen eigenen Film.