Mal kitschig, mal lehrreich – Geschichtsfernsehen boomt: Der ARD-Film „Die Himmelsleiter“ schildert, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln zuging.

Köln - Geschichtsfernsehen boomt, nicht nur die BBC in Großbritannien, auch die deutschen Sender setzen derzeit gerne auf historische Stoffe. Biopics über Käthe Kruse oder Heinrich Himmler, Mehrteiler über Vertreibung – dass vor allem fiktive Format immer die Gefahr der Verkitschung bergen, betonten Historiker zuletzt beim „History Day“ der Cologne Conference der Medienbranche im vergangenen Oktober. Was sich natürlich einerseits kaum bestreiten lässt. Aber andererseits ist es wahrscheinlich ganz hilfreich, wenn sich die Bevölkerung eines wohlhabenden Landes zumindest via TV immer mal wieder daran erinnert, dass auch in ihren Gefilden die Zeiten der Not noch gar nicht so lange vergangen sind, dass die eigenen Großeltern und Eltern zwischen Trümmern zurechtkommen mussten, wie derzeit die Bewohner der zahlreichen Krisenregionen in anderen Teilen der Welt.

 

In Köln zum Beispiel, dem Schauplatz des Zweiteilers „Die Himmelsleiter – Sehnsucht nach morgen“, lag nach dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Statt 770 000 hatte die Stadt nur noch 40 000 Einwohner, neunzigProzent der Innenstadt lagen in Schutt und Asche. In dieser Gegend nun befindet sich das zerbombte Haus der Familie Roth, von deren Schicksal hier erzählt wird.

„Fringsen“, um zu überleben

Mit Improvisationstalent und Pragmatismus hat Anna Roth (Christiane Paul), deren jüdischer Ehemann Adam 1941 verschwunden ist, im Keller für sich, ihre drei Kinder und einen Enkel so etwas wie ein Zuhause geschaffen, in dem sie den Lebensunterhalt mit Nähen verdient, und im besten Falle Brot mit Rübenkrautaufstrich auf den Tisch bringen kann. „Unser Leben bestand aus stehlen und hamstern“, sagt die Erzählstimme des weiblichen Haushaltsvorstands zum Auftakt. „Fringsen“ wurde diese Überlebenstechnik genannt, nach den Worten des Kardinals Frings, dass all das in Notzeiten erlaubt sein müsse. Während aber die kleinen Leute das tägliche Überleben gezwungenermaßen auf krummen Wegen organisieren, sind viele der Großen, die schon in der Nazizeit schamlos von der Vernichtung ausgegrenzter gesellschaftlicher Gruppen profitiert hatten, schon wieder dabei, sich auf kriminelle Weise entscheidende Teile der Nachkriegsgesellschaft unter den Nagel zu reißen. Der Kneipen- und Kinobesitzer Armin Zettler zum Beispiel, den Axel Prahl als Fiesling gibt, kungelt mit den belgischen Besatzern um Grundstücke, auf denen Kasernen entstehen sollen, und setzt deswegen Anna Roth unter Druck. Die hat eh noch eine Rechnung mit dem früheren NSDAP-Ortsgruppenleiter offen, unter anderem weil sie vermutet, dass der ihren Mann ins KZ gebracht hat, um ihr besser nachstellen zu können. Sie will mit ihm keine Geschäfte machen, lieber kommt sie mit dem verwitweten Bauer Halfen zusammen, der bei ihr Klavierspielen lernen, und sie auf seinem Hof aufnehmen möchte.

Da lauert die Kitschfalle

An zwei aufeinanderfolgen Abenden geht es in der „Himmelsleiter“, wie üblich in Degeto-Geschichts-Eventfernsehen, immer wieder um diverse Liebesgeschichten zwischen den Fronten. Aber inmitten dieser Episoden ist doch auch ziemlich Authentisches über den deutschen Alltag um das Jahr 1947 herum zu sehen. Wie der Schwarzhandel organisiert wurde zum Beispiel, wie nach bewährter Manier eine Hand die andere wusch und in der Domstadt trotz schrecklicher persönlicher Verluste und trotz Hungerwintern bald wieder Karneval als Inbegriff rheinischer Lebenslust gefeiert wurde. Aber auch, wie sich Eltern und Kinder in vom Krieg traumatisierten und von der offenen Zukunft überforderten Familien voneinander entfremdeten, und wie schwierig es gewesen sein muss, in dieser Gemengelage einen eigenen, geraden Weg zu gehen. Dieser Anschein von Wahrhaftigkeit liegt wohl vor allem daran, dass der Autor Peter Zingler selbst ein Kind dieser Zeit ist, und sein von Christian Schnalke überarbeitetes Drehbuch an wahre Begebenheiten angelehnt hat. Wie Paul, der jüngste der Roth-Sippe, war der Siebzigjährige mehr bei seiner Großmutter als bei seiner sehr jungen Mutter groß geworden.

Starke schöne Frauen räumen auf?

Er habe mit ihr schon als Vierjähriger Metalle gestohlen und bei den Besatzern gegen Lebensmittel eingetauscht, erzählt er. Genau wie die Kinder in der „Himmelsleiter“ also, der übrigens nicht aus romantischen Gründen so heißt, sondern nach einem minengespickten Weg Richtung Belgien benannt ist, auf dem nach dem Krieg heftig geschmuggelt wurde. Von dieser „Freibeutermentalität“, so der Autor Zingler, der wegen Einbruchsdelikten zwölf Jahre im Gefängnis saß, in der Haft zu schreiben begann, und seit Jahrzehnten unter anderem viele preisgekrönte Vorlagen für den „Tatort“ verfasst hat, sei er später schwer wieder losgekommen. Wie stark sie den Wiederaufbau der bundesrepublikanischen Gesellschaft mit geprägt haben mag, lässt er den Zuschauer entscheiden. Und wie es mit seinen Protagonisten nach der Währungsreform weitergeht, als die ersten Wunden vernarbt und die Geschäfte wieder voll sind, bleibt wohltuend offen.

Der Kitschfalle entgeht der Film dennoch an manchen Stellen nicht. Zwar wird optisch und akustisch selten ganz dick aufgetragen – „bombastische Musik“, so der Historiker Peter Schöttler bei der Cologne Conference, „ist ein Indikator für schlechtes Geschichtsfernsehen“ – aber einige Klischees, etwa dass es vor allem starke schöne Frauen waren, die den Restmüll des Faschismus zusammenzufegen hatten, werden hier noch einmal stark strapaziert.