Ein Horror-Szenario, das auf Fakten beruht: In dem ARD-Film „Operation Zucker – Jagdgesellschaft“ kämpft Nadja Uhl abermals als Polizistin gegen Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung. Im Anschluss greift die Talkshow „Maischberger“ das Thema auf.

Stuttgart - Ein Mann streichelt einem Jungen in einer Kneipe die Wange, umarmt ihn liebevoll. Dann sind beide plötzlich verschwunden. Die Polizistin Karin Wegemann (Nadja Uhl) ahnt Böses, schaut auf der Toilette nach, reißt den Mann von dem Jungen weg. Doch der Schein trog: Das blinde Kind ruft erschrocken nach seinem Vater. Wegemann wirkt gehetzt, ihre impulsive Reaktion soll dem Publikum paranoid vorkommen. Für den Rest des Films gilt allerdings das Gegenteil. In „Operation Zucker – Jagdgesellschaft“ bestätigen sich ihre schlimmsten Befürchtungen immer.

 

Nadja Uhl verkörpert bereits das zweite Mal eindrucksvoll diese Kämpferin gegen Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung. Vor drei Jahren hatten mehr als sechs Millionen Zuschauer in der ARD gesehen, wie die Berliner LKA-Beamtin Wegemann gegen einen Kinderhändlerring ermittelte, aber das aus Rumänien entführte Mädchen Fee nicht retten konnte. Für die Ausstrahlung vor 22 Uhr musste die ARD das hoffnungslose Ende von „Operation Zucker“ aus Jugendschutzgründen herausschneiden. Von der Fortsetzung gibt es diesmal nur eine Fassung, doch die ist kaum weniger schockierend – auch wenn das Finale noch eine positive, optimistische Wendung nimmt.

Kinder und Jugendliche sollte man mit diesem Film sicher nicht allein lassen. Und auch Erwachsene dürften Redebedarf haben, insofern erscheint es angemessen, dass das Thema anschließend bei „Maischberger“ aufgegriffen wird. Zu Gast sind unter anderem Johannes-Wilhelm Rörig, der Bundesbeauftragte zu Fragen des Kindesmissbrauchs, und die „Spiegel“-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen.

Lust an der Macht über wehrlose Kinder

Wegemann ist nicht mehr LKA-Beamtin, sondern bewirbt sich erfolgreich auf eine Stelle bei der Polizei in Potsdam. Ein Journalist hatte ihr gesteckt, dass dort „Hunderte von Ermittlungen“ verschleppt würden. In Brandenburg muss sie mit dem Kollegen Ronald Krug (Mišel Maticevicć) zusammenarbeiten, der einige Vorbehalte hat gegen die „Hauptstadt-Ziege“.

Ihre Reibereien ermöglichen es den Autoren Friedrich Ani und Ina Jung, wie in einem klassischen Krimi Informationen zum Thema unterzubringen. „Fünfzig, manche sagen Hundert Millionen“ würden in Deutschland mit Kinderhandel umgesetzt, heißt es. Und: die Täter seien keineswegs Pädophile, sondern „Ersatzhandlungs-Täter“ – Menschen, die Lust an der Macht über wehrlose Kinder haben.

Jedenfalls sind die Täter wieder in den besseren Kreisen zu finden, und die Spannung des Films macht nicht zuletzt die Frage aus, wem überhaupt zu trauen ist. Kein Zweifel lässt das Drehbuch daran, dass Bau-Unternehmer Voss (Sebastian Hülk) und seine Frau Helen (Jördis Triebel) die beiden Mädchen Lucy (Carlotta von Falkenhayn) und Laura (Mathilde Bundschuh) Männern zur Verfügung stellen. Die schockierende Irritation besteht in dem Kontrast des scheinbar gut situierten Familienlebens und der routinierten Abwicklung des Geschäfts. Die kleine Laura wird geschminkt, in den Kofferraum verfrachtet und am Waldrand ihrem Freier übergeben. Kinder sind Ware, werden als „Lebend-Pizza“ geliefert, so der zynische Ausdruck der Täter.

Bilder am Rande des Erträglichen

Was im Wald oder auf den Partys in einer Villa geschieht, wird natürlich nicht explizit gezeigt. Dennoch erscheint manches grenzwertig: Zum Beispiel eine Szene, in der ein Junge mit halbnacktem Oberkörper von einem Mann an der Leine über den Waldboden geschleift wird. Die Regisseurin Sherry Hormann geht bis zum Äußersten, gerade noch Erträglichen. Die Kinder wirken wie programmiert, wie abgerichtete Wesen, die kein anderes Leben kennen.

Und die Rechtfertigung von Helen ist an Unverfrorenheit schwer zu überbieten. „Wir sind die Guten“, behauptet sie im Verhör. Sie würden die Kinder retten, die ansonsten längst an der Nadel hängen würden oder in die Fänge „der Albaner“ geraten wären. Warum muss hier eigentlich ohne inhaltlichen Zusammenhang eine Volksgruppe genannt werden?

Das Szenario des Films wirkt so ungeheuerlich, dass man sich weigern möchte, es für wahr zu halten. Aber Ani und Jung betonen, ihr Drehbuch beruhe auf Fakten. Die Opfer „ritualisierter Gewalt“ würden bewusst dafür gezeugt, vom Babyalter an programmiert oder so früh wie möglich konditioniert. „Die haben denen die Angst wie einen Chip implantiert“, lautet ein Satz aus dem Film. Täter, behaupten die Autoren, seien „nicht selten“ Prominente aus Medien, Justiz und Wirtschaft. „Niemand kann sagen: Das gibt es bei uns in Deutschland nicht.“ Das klingt – bei aller Sympathie für die aufrüttelnde Absicht – diffus, ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Nun müssen Fakten her.