„Nebenwege“, das Spielfilmdebüt von Michael Ammann, ist eine großartig gespielte Tragikomödie über drei Generationen. Dabei kostet Amman das Pech seiner Hauptfigur weidlich aus.

Stuttgart - Es gibt diese Tage, an denen man am besten im Bett geblieben wäre. Richard, der unfreiwillige und auch etwas traurige Held dieses Debütfilms von Michael Ammann, erlebt gleich drei solcher Tage, an denen nichts funktioniert. Am Ende wird seine Firma pleite sein, man hat ihn verprügelt und auf ihn geschossen, und der Diebstahl eines Polizeifahrzeugs wird ein Nachspiel haben.

 

Aber all das ist in „Nebenwege“ nur Nebensache, denn Richard (Roeland Wiesnekker) hat es nach zwanzig Jahren endlich geschafft, den Schatten seines Bruders hinter sich zu lassen. Außerdem ist es ihm gelungen, die Liebe seiner Tochter zurückzuerobern, und danach sieht es zu Beginn wahrlich nicht aus: Marie (Lola Dockhorn), Prachtexemplar eines trotzigen Teenagers, lässt Richard erbarmungslos auflaufen, weil sie ihm die Schuld am Scheitern der Familie gibt.

Als noch größere Herausforderung für den alsbald völlig überforderten Mittvierziger erweist sich jedoch seine demente Mutter, die er an diesem Sonntag eigentlich wie abgesprochen ins Seniorenheim bringen wollte. Hilde (Christine Ostermayer) hat allerdings ganz andere Pläne und macht sich kurzerhand aus dem Staub, um ins hundert Kilometer entfernte Altötting zur Schwarzen Madonna zu pilgern. Vater und Tochter holen die Großmutter zwar wieder ein, aber die lässt sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen. Richard will natürlich mit dem Auto fahren, aber selbst wenn es Wallfahrt heißt: die Strecke muss zu Fuß dennoch zurückgelegt werden; und wie bei allen Ausflügen dieser Art ist der Trip nach Altötting selbstredend eine Heldenreise in die eigenen Innenwelten.

Die junge Lola Dockhorn beweist ihr großes Talent

Natürlich kostet Michael Ammann, der auch das Drehbuch geschrieben hat, das Pech seiner Hauptfigur weidlich aus, zumal Roeland Wiesnekker diesen von vielen Missgeschicken gebeutelten Mann mit zunehmend komischer Verzweiflung verkörpert. Während Mutter und Tochter ihm auf der Nase herumtanzen, wird er dank regelmäßiger Telefonate mit einem Angestellten hilflos Zeuge, wie seine Firma pleite geht. Und doch macht Ammann schon früh deutlich, dass die komödiantischen Momente nur dazu dienen, um die eigentliche Geschichte leichter verdaulich zu machen: Erst wenn sich Richard seiner Rolle als Sohn vergewissert, kann er auch ein guter Vater sein.

Das aber scheint unmöglich, denn sein Widerpart ist ein Geist: Mutter Hilde hat stets seinen jüngeren Bruder bevorzugt, erst recht nach dessen Tod, an dem sie Richard zu allem Überfluss die Schuld gibt. Dass die Tonart des Films trotz dieses Hintergrunds nie vorwiegend tragisch ist, liegt nicht zuletzt an der Musik von Thomas Osterhoff, die eine sanft ironische Heiterkeit verbreitet. Ähnlich sehenswert wie Wiesnekker sind auch seine beiden Partnerinnen. Bei einer Bühnengröße wie Christine Ostermayer ist das natürlich keine große Überraschung, und bei Lola Dockhorn im Grunde auch nicht; aber nur, wenn man sie als Tochter eines behinderten Vaters in der Tragikomödie „Einer wie Bruno“ mit Christian Ulmen gesehen hat – das ZDF wird den Film am 4. August zeigen. In „Nebenwege“ stellt die mittlerweile achtzehnjährige Schauspielerin ihr großes Talent erneut unter Beweis.

Eine witzige Gastrolle spielt Tilo Prückner, dem unter anderem das Kunststück gelingt, beim Mopedfahren einhändig eine Bierflasche zu öffnen.

ARD, Mittwoch, 20.15