In ihrem aktuellen Bericht vergleicht die Gebührenkommission KEF die Kosten für die Kulturwellen im Radio. Ungeachtet des Bildungsauftrags der Sender bläst die Kommission zum Angriff.

Stuttgart - Soll man skeptisch werden, wenn die Verantwortlichen eines Gutachtens erklären, man müsse „nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“? Am Mittwoch hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ihren 19. Bericht vorgelegt. Auf Seite 272 beginnt bei der „Kostentransparenz“ ein Unterkapitel mit der harmlos klingenden Überschrift „Kultur- und Klassikwellen im Hörfunk“. Und just darüber sagt nun der KEF-Geschäftsführer Horst Wegner: „Das ist absichtlich so unkonkret formuliert worden.“

 

Vermutlich muss eine Kommission in heikler Mission zunächst einmal Wischiwaschi-Formulierungen wählen. Schließlich geht es um die Rundfunkgebühren, die inzwischen Haushaltsabgabe heißt. Kritiker nennen sie „Zwangsabgabe“. Die Emotionen schießen schnell durch die Decke.

Deshalb mag der Leser es als journalistische Zuspitzung durchgehen lassen, wenn man das zehnseitige Unterkapitel 6.5 so zusammenfasst: Kulturradio ist ziemlich teuer. Besonders teuer wird es, wenn man es nicht zum netten Nebenbei-hören sendet, sondern ein anspruchsvolles, manchmal sperriges Wort- und Musikprogramm mit Eigenproduktionen macht. – Zwei Dinge fallen aus der Sicht der KEF allerdings in aller Deutlichkeit auf: erstens, dass eine Kulturwelle (WDR 3) deutlich teurer produziert als der Schnitt. Und zweitens, dass eine andere, nämlich das Nordwestradio von Radio Bremen, sogar so unverschämt teuer sei und so wenige Hörer habe, dass sich der Sender ernsthaft Gedanken über sie machen solle.

Kulturwellen zählen zur Kernaufgabe

Dieses „sich ernsthaft Gedanken machen“ liest sich im Original so: „Die Kommission regt an zu prüfen, wie sich die hohen Programmkosten je Hörer reduzieren und gleichzeitig der Programmauftrag von Radio Bremen sicherstellen lässt.“ Da Kommissionen verklausuliert schreiben, mag man diesen Satz auch als Frage lesen: Muss das winzige Radio Bremen eine eigene Kulturwelle haben?

Bislang gelten Kulturwellen als Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Anders als beim Popradio mit seinen munteren Radioweckern gibt es keine kommerziellen Anbieter, die Hörfunk auf einem ähnlichen journalistischen und musikalischen Niveau anbieten können wie die Sendeanstalten der ARD.

Das darf man den Kommerziellen nicht vorwerfen – gerade weil sich anspruchsvolles Minderheitenradio nicht rechnet, gibt es den öffentlichen-rechtlichen Kulturauftrag des Rundfunkstaatsvertrags. Dort heißt es: die Anstalten haben „Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten“. Was sie genau unter „Kultur“ verstehen und wie sie die jeweiligen Beiträge anbieten, legen die einzelnen Sender allerdings unterschiedlich aus. Grundsätzlich gibt es zwei Arten des Selbstverständnisses: Programme, die sich als „Begleitprogramme“ sehen, und solche, die sich als Kultur- und Bildungsprogramm bezeichnen.

Wenn Moderatoren stolz auf ihre Ahnungslosigkeit sind

Zu den Begleitprogrammen gehören MDR Figaro, RBB Kultur und NDR Kultur. Man soll auch sie wie Popwellen nebenbei hören können: beim Autofahren, beim Bügeln, auf der Arbeit. Kurze Musikstücke aus leichter Klassik, leichtem Jazz, ein bisschen Folk, dazwischen kleine Magazinbeiträge von zwei, drei Minuten. Im Zweifel muss man nur mit einem Ohr hinhören, irgendwas bleibt schon hängen. Dabei kommt es vor, dass die Moderatoren stolz sind auf ihre Ahnungslosigkeit. Sie befragen dann Autoren, deren Bücher sie nicht gelesen haben, oder leiten ihre Fragen mit der Formulierung ein: „Ich kenne mich da nicht so aus . . .“ Das gilt als besonders nah am Hörer, dem man offenbar eine ähnliche Ahnungslosigkeit unterstellt.

Klassische Bildungsprogramme leisten sich dagegen mehr Feature-Sendeplätze, mehr Diskussionen, mehr Wissenschaftsstücke, mehr Konzertmitschnitte und Moderatoren mit Ahnung. Wobei einige so viel Ahnung haben, dass sie auch über die Köpfe der Hörer hinwegreden. Zu diesen Bildungs- und Kulturprogrammen gehört SWR 2. Außerdem zählt die KEF die Programme HR 2, BR 2, WDR 3 und Deutschlandradio Kultur zu dieser Kategorie.

Eine Gebühren-Kommission wie die KEF ist jedoch nicht dazu da, sich am deutschen Kulturradio zu erfreuen. Sie soll rechnen und dabei die Kosten transparent machen. Das Ergebnis ihrer jüngsten Rechenarbeit: Begleitprogramme sind viel billiger als Bildungs- und Kulturprogramme. NDR Kultur etwa kostet pro täglich erreichtem Hörer konkurrenzlos günstige 38 Euro. MDR Figaro kommt auf 68 Euro, RBB Kultur auf 77 Euro. SWR 2 hingegen muss pro Hörer schon 116 Euro aufbringen. HR 2 und WDR 3 liegen um die 100 Euro. Wie soll man angesichts solcher Diskrepanzen wohl die schwammig formulierte Schlussfolgerung der KEF „Die Kommission erwartet, dass die Anstalten und ihre Gremien den aufgezeigten Abweichungen in den Kostenstrukturen der Kulturwellen nachgehen und Optimierungen in ihren programmwirtschaftlichen Entscheidungen vornehmen“ interpretieren ?

Einfach top: Deutschlandradio Kultur

Dieser Auftrag richtet sich vor allem an zwei Sender. Errechnet man nämlich den Preis für die Erstsendung von Wort und Musik, zum Beispiel die Erstausstrahlung von Features oder Konzerten, ist WDR 3 mehr als doppelt so teuer wie andere Kulturwellen. „Wir sind von den Zahlen überrascht und müssen jetzt prüfen, woran das liegt“, erklärte dazu ein WDR-Sprecher. Noch stärker in Bedrängnis kommt das Nordwestradio. Radio Bremen strahlt die engagiert gemachte Kulturwelle gemeinsam mit dem NDR für die Hansestadt und Nordwestdeutschland aus. Das Sendegebiet überschneidet sich mit dem superbilligen NDR Kultur. Deshalb schalten nur 30 000 Hörer am Tag ein. Die Folge: exorbitant hohe Kosten pro Hörer, nämlich 265 Euro. „Wir können die Kosten nicht mehr senken, wir sind am untersten Rand. Wir wollen aber in den nächsten zwei, drei Jahren die Hörerzahl verdoppeln. Dadurch würden sich die Kosten pro Hörer halbieren“, sagt der Programmdirektor Jan Weyrauch. Dem diente ein Programmreform, die Anfang Januar umgesetzt wurde. Ihr Ziel: mehr Durchhörbarkeit.

Als besonders kostengünstig erweist sich übrigens das bundesweite Deutschlandradio Kultur. Es hat mit fast 60 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an Wort- und Musik-Erstsendungen, was 87 Euro pro Sendeminute bedeutet – kaum mehr als ein Drittel der Kosten bei WDR 3. Ab Mitte Mai will der Programmdirektor Andreas Weber das Sendeschema reformieren. Es soll zugänglicher werden. Man kann nur hoffen, dass dabei kein – nicht nur in Euro und Cent gerechnet – billiges Begleitprogramm entsteht.