Von der Humankapital-Vernichtung bis zur glücksbasierten Unternehmenskultur: Die ARD-Themenwoche dreht sich im Fernsehen, Hörfunk und Internet um die „Zukunft der Arbeit“.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Ein Roboter statt Ingo Zamperoni oder Thorsten Schröder: Mit blecherner Stimme begrüßt die Maschine mit menschlichem Antlitz im Trailer für die ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ die Zuschauer. „Konkurrent oder Kollege?“ fragt daraufhin der „Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer in die Kamera. Optisch ein Hingucker. Inhaltlich aber harmoniert das Werbefilmchen für den Themenschwerpunkt von 30. Oktober bis 5. November nicht ganz mit dem, was man herausfindet, wenn man den online bereitgestellten „Job-Futuromat“ konsultiert. Mit dem Tool lässt sich recherchieren, wie stark ein Beruf in Zukunft von Automatisierung betroffen sein könnte. Gibt man Hörfunk- oder Fernsehsprecher oder Moderator ein, lautet jeweils die Antwort: „0 Prozent der Tätigkeiten in diesem Beruf könnten schon heute Maschinen übernehmen“.

 

Dieselbe Information bekommt man erstaunlicherweise beim Berufsbild des Journalisten. Haben das verantwortliche Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und die Bundesagentur für Arbeit da richtig recherchiert? Bei der Nachrichtenagentur AP, bei Zeitungen wie „Le Monde“ oder der „Los Angeles Times“ ist automatisiertes Texten mit Hilfe von Softwareprogrammen schon Wirklichkeit.

Der „Jobfuturomat“ ist nicht das einzige Internet-Gimmick; mit „Marie“ stellt die ARD dem Zuschauer eine „virtuelle Assistentin“ an die Seite, die den registrierten Nutzer per E-Mail, Whatsapp oder Sprachnachricht über die Programmhighlights informiert und mit fiktiven Vertretern der zukünftigen Arbeitswelt bekannt macht.

Ahnungslose Dinosaurier

Die ARD und ihre Landesanstalten haben für die traditionelle Themenwoche im Herbst, für die dieses Mal Tim Bendzko den Song „Keine Maschine“ beisteuert, wieder ein Mammutpaket geschnürt. Eine Woche lang soll es im Ersten, den dritten Programmen, in Hörfunk und Internet um „Industrie 4.0“, „Sharing-Ökonomie“ und „Cloud-Working“ gehen, soll der „gesellschaftliche und persönliche Stellenwert von Arbeit“ in der Zukunft und die Herausforderungen für die junge Generation beleuchtet werden. Das Presseheft umfasst 112 Seiten, verweist auf Premieren aus der Sparte Fiktion genauso wie auf zig Dokus, Reportagen und regelmäßige Magazin- und Talkformate.

Die zentrale Frage formuliert Manfred Krupp, Intendant des Hessischen Rundfunks, der zusammen mit Saarländischem Rundfunk und Radio Bremen federführend ist: „Wird die Zukunft schwieriger, weil Arbeit entmenschlicht wird?“ Oder, so die von ihm skizzierte Alternative, kommen durch Digitalisierung und Automatisierung „bessere Produkte und bessere Arbeitsbedingungen“ heraus?

Bei den Fernsehfilmen eröffnet der Bremer „Tatort: Echolot“ (30. Oktober, ARD, 20.15 Uhr) das weit gespannte Feld. Die Hauptkommissare Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) müssen den Mord an einer Start-Up-Unternehmerin aufklären, die mit der Entwicklung eines „digitalen Assistenten“ kurz vor dem Durchbruch stand. Dabei offenbaren sich die Ermittler als eher ahnungslose „Dinosaurier“, die der Welt der Nerds und künstlichen Intelligenzen eher hilflos gegenüber stehen.

An der Armutsgrenze

Das Drama „Dead Man Working“ (2. November, ARD, 20.15 Uhr) von Marc Bauder spielt nach der Finanzkrise und zeigt die menschlichen Abgründe, die sich in Banker-Seelen auftun. Ein Spitzen-Investmentbanker (Wolfram Koch) stürzt sich nach einem Mega-Deal mit dem Emirat von Katar vom Skyscraper-Dach in den Tod; sein Zögling (Benjamin Lillie) will den Grund dafür herausfinden. Das Szenario dockt eindeutig an die real existierende Deutsche Bank an; Bauder zeichnet ein Psychogramm des Milieus, in dem zwar der „Kulturwandel“ gepriesen, die Politik aber klammheimlich weiter am Gängelband geführt wird und „Humankapital“ sogar noch weniger als Peanuts wert ist. Psychologisch dringen Bauder und sein Autor Khyana el Bitar allerdings nicht wirklich tief, dafür wird die kalt-glitzernde Machtarchitektur der Frankfurter Wolkenkratzer umso ästhetischer ins Bild gesetzt.

Sehr ambitioniert erweist sich der TTIP-Thriller „Tödliche Geheimnisse“ (5. November, ARD, 20.15 Uhr), der gewagt mit den ganz großen Themen wie Freihandel, Lobbyismus, Vierte Gewalt jongliert. Doch die Bälle fliegen der Regisseurin Sherry Hormann und dem Autor Florian Oeller aus den Händen: Der Film, mit etlichen schlecht kaschierten Erklärdialogen zur Faktenvermittlung durchsetzt, ist ein krude zusammengestrickter Mix aus Wirtschaftsthriller und Investigativ-Journalismus-Story, ein paar Liebes- und Familienschicksalsfäden werden überflüssigerweise auch noch eingewoben. Ein Desaster – wenn nicht Nina Kunzendorf und Anke Engelke (grandios), ergänzt durch Katja Riemann, die Hauptdarstellerinnen wären.

Fokussierter präsentieren sich dagegen die dokumentarischen Formate, aus deren Vielzahl zwei herausgehoben seien: In der Reihe „Gott und die Welt“ führt die Reportage „Die Aufstocker – Trotz Arbeit Hartz IV“ (30. Oktober, ARD, 17.30 Uhr) in die Gesellschaftsschichten, die sich trotz Erwerbsarbeit an der Armutsgrenze bewegen. Und Rita Knobel-Ulrich taucht in ihrem Dokumentarfilm „Faktor Menschlichkeit“ (31. Oktober, ARD, 22.45 Uhr) ein in eine neue Art der Unternehmenskultur: Die basiert nicht auf Erfolgsdruck, Gängelung und Kosteneffizienz, sondern auf Sinnerfüllung und persönlicher Zufriedenheit der Mitarbeiter.