Fantasienamen für Marken und namenlose Produktverpackungen: ARD und ZDF wollen jeden Anschein von Reklameeffekten im Keim ersticken. Die internen Richt­linien zur Trennung von Werbung und Programm sind strenger als die gesetzlichen Vor­gaben.

Stuttgart - Eine Zeit lang wirkten James-Bond-Filme wie aufwendige Werbespots für Autos und Uhren. Den Herstellern war die Präsenz in den Kassenknüllern viel Geld wert. Im Fernsehen gab es das auch schon. Als sich vor zehn Jahren herausstellte, dass die Produktionsfirma Bavaria in Serien wie „Marienhof“ gezielt Produkte platziert hatte, führte diese Schleichwerbung zu einem der größten Skandale in der Geschichte des deutschen Fernsehens. Daraufhin wurden die Gesetze geändert. Während den Privatsendern seither bezahltes Product Placement mit entsprechendem Hinweis gestattet ist, sind in öffentlich-rechtlichen Eigenproduktionen nur sogenannte unentgeltliche Produktbeistellungen erlaubt. Zum Beispiel fürs „Traumschiff“ des ZDF: der Sender könnte sich den Luxusdampfer „MS Deutschland“ nicht einmal zur Miete leisten.

 

Weil ARD und ZDF aber jeden Anschein eines Reklameeffekts schon im Keim ersticken wollen, gehen die internen Richtlinien zur Trennung von Werbung und Programm weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Der SWR-Justiziar Hermann Eicher erläutert die Zurückhaltung des Senders am Beispiel der Fahrzeuge im „Tatort“: Die Autos werden in der Regel zu marktüblichem Preis angemietet. Der braune Oldtimer-Porsche des Stuttgarter Hauptkommissars Lannert (Richy Müller) und der alte Fiat des Ludwigshafener Kollegen Kopper (Andreas Hoppe) sind sogar SWR-Eigentum, weil sie in jeder Folge zum Einsatz kommen.

Dramaturgie darf sich nicht auf Marke konzentrieren

Die Haltung der anderen Sender ist ähnlich. Dabei gibt es beim WDR mit Professor Boerne eine prominente Krimifigur, die ausgesprochen gern Auto fährt. Der Gerichtsmediziner in diesem „Tatort“ aus Münster zeichnet sich nicht zuletzt durch seine Vorliebe für ausgefallene Sportwagen aus, wobei er jedes Mal eine andere Marke fährt. Weil der Boerne-Darsteller Jan Josef Liefers gemeinsam mit seinem Filmpartner Axel Prahl aber Werbung für Toyota macht, sei es „völlig ausgeschlossen, dass sie auch im Toyota durch den ‚Tatort’ fahren“, versichert Gebhard Henke, der Leiter des WDR-Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie.

Davon abgesehen gelte für alle Automarken eine klare Regelung: „Sie dürfen nicht auffällig und damit werbewirksam präsentiert werden. Eine Szene, die sich dramaturgisch auf etwas völlig anderes konzentriert, darf nicht mit einer Einstellung enden, die einen Mercedes-Stern zeigt.“ Ansonsten geht Henke gelassen mit dem Thema um: „Das Leben besteht nun mal aus Produkten. Viele Jugendliche definieren sich sogar über Marken, das kann man nicht ignorieren. Es wäre ja lächerlich, sich Fantasienamen für Autos auszudenken.“

Bei den Produktionsfirmen herrscht dagegen in dieser Hinsicht alles andere als Gelassenheit, weshalb die meisten Gesprächspartner namentlich nicht genannt werden wollen. Ein Produzent sagt, dass er manchmal das Gefühl habe, „ein Verstoß gegen die Product-Placement-Richtlinie kommt gleich nach Mord und Vergewaltigung“. Die Sender hätten „sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie man zum Beispiel Autos zeigen darf“, ergänzt eine Produzentin: „Das nimmt mitunter groteske Züge an.“ Auch Sascha Ommert, Herstellungsleiter bei der Bavaria Filmproduktion, ist der Meinung, die Sender würden mitunter übers Ziel hinaus schießen, etwa dann, „wenn wir bei Automodellen, die fast Oldtimer-Status haben, aufwendig das Markenlogo wegretuschieren sollen“. Erst recht ärgerlich werde es, „wenn beim Dreh ein Logo überklebt werden muss und zusätzliche Kosten entstehen, weil beim Entfernen des Klebebands der Lack beschädigt wird.“

Fantasienamen statt „Google“

Leichter ist der Umgang mit Produkten des täglichen Gebrauchs. Sie müssen so gefilmt werden, dass man weder Hersteller noch Marke erkennt. Firmen und Sender haben sich daher im Lauf der Jahre einen eigenen Requisitenfundus zugelegt. Beim SWR dürfte man seit „Komasaufen“, einem Drama über jugendlichen Alkoholismus, auf absehbare Zeit mit umetikettierten Flaschen versorgt sein. Freie Produktionsfirmen greifen auf die Hilfe von Agenturen zurück, die sich darauf spezialisiert haben, Verpackungen für Alltagsgüter zu entwerfen. So erkennt man auf Anhieb, ob eine Schachtel auf dem Frühstückstisch nun Saft oder Müsli enthält.

Fernsehfilme sind daher tatsächlich weitgehend markenfrei. Recherchiert eine Filmfigur im Internet, nutzt sie nie Google, sondern immer eine Suchmaschine mit Fantasienamen. Nimmt sie ein Taxi, ist die Werbung entfernt, auch auf Bussen und Bahnen ist keine Reklame zu erkennen. Schauspieler sind vertraglich verpflichtet, ihre Werbepartner offenzulegen, damit gewährleistet ist, dass deren Produkte nicht im Film auftauchen. „Trotzdem“, sagt Sascha Ommert von der Bavaria, „gibt es immer die Furcht, dass doch noch etwas durchrutschen oder Verdacht erregen könnte.“ Zu Recht: „Sobald wir den Eindruck haben, dass eine Marke unverhältnismäßig oft im Bild erscheint, schlagen wir sofort Alarm“, versichert Sascha Schwingel, Redaktionsleiter der für die Freitagsfilme im Ersten zuständigen ARD-Tochter Degeto.

Deshalb stehen die Produktionsfirmen vor der Herausforderung, die Vorgaben der Sender zu erfüllen und trotzdem die Wirklichkeit wiederzugeben. „Wenn eine Filmfigur durch eine Fußgängerzone geht“, sagt ein Produzent, „lässt es sich nun mal nicht vermeiden, dass sie an Geschäften vorbeikommt. Das ist ein echtes Problem, auch wenn es natürlich Quatsch ist, eine Welt ohne Marken und Logos zu zeigen. Das hätte mit der Realität nichts mehr zu tun.“