Am 1. Oktober startet mit „funk“ das „Junge Angebot“ von ARD und ZDF. Mit bekannten und unbekannten Webvideo-Akteuren soll das Angebot jünger, anders und irgendwie hipper werden – und junge Leute auf Facebook, Youtube oder Snapchat erreichen.

Berlin - Das Geheimnis wird im dritten Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes gelüftet, mitten in Berlin-Wedding. Außen ein heruntergekommenes Backsteingebäude, Graffitis, Fahrräder. Innen gepolsterte Holzstühle, gelbe Scheinwerfer, die von der Decke baumeln, knarzendes Parkett. Hier, in dieser Hinterhof-Loft, wird das neue Jugendprogramm von ARD und ZDF präsentiert: „funk“, nicht wie das englische funk, sondern mit einem „u“ wie in Rundfunk.

 

Über ein Jahr lang wurde das Projekt unter dem Arbeitstitel „Junges Angebot von ARD und ZDF“ entwickelt. Das Ergebnis ist das, was die Macher ein Content-Netzwerk nennen: ein Sammelsurium von Online-Formaten, von Web-Videos mit bekannten und unbekannten Protagonisten, von Youtube-Kanälen und einigen fiktionalen Serien, zusammengefasst in „funk“. Ab diesem Samstag (1. Oktober) nun startet das Angebot mit 40 neuen Formaten, vor allem auf Internet-Plattformen wie Facebook, Snapchat und Youtube, mit einer eigenen App und einer Website. Ziel des Angebots ist es, die Zielgruppe der 14 bis 29-Jährigen wieder zurückzugewinnen, denn die, sagt „funk“-Geschäftsführer Florian Hager, habe man mit den klassischen Inhalten von ARD und ZDF de facto nicht mehr erreicht.

Was da entstanden ist, ist kein neuer Jugendkanal

Es ist also nicht wie ganz ursprünglich einmal geplant ein neuer Jugendkanal, was da entstanden ist, und auch keine Mediathek, die bestehende Multimedia-Angebote zusammenfasst. Lineares Fernsehen könne man auch gar nicht, sagen die Geschäftsführer – und darf man nicht, denn die Ministerpräsidenten der Länder haben 2014 entschieden, dass das junge Angebot nur im Internet stattfinden kann.

Im Zentrum von „funk“, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Sophie Burkhardt, „stehen die Protagonisten und deren Inhalte“. Grob unterteilt sind die Formate in die Bereiche Information, Orientierung und Unterhaltung – letzteres soll einen Anteil von etwa fünfzig Prozent am gesamten Angebot ausmachen. Es gibt politische Formate, Mystery-Serien, es gibt Stand-Up-Comedy, Talk-Formate oder Video-Reportagen. „Funk“ sei eine Möglichkeit, Talente zu entwickeln, sagt auch die ARD-Vorsitzende Karola Wille: „Wir wollen einen Raum schaffen für junge Kreative, für Innovation, für Experimente.“

Solche jungen Kreativen sind zum Beispiel die Protagonisten von „Jäger&Sammler“, einem investigativen Format, das vor allem auf Facebook laufen wird. Für die Web-Videos recherchieren Nemi El-Hassan, Friedemann Karig und Ronja von Rönne zu politischen und gesellschaftlichen Themen, die sie selbst interessieren, wie sie sagen. Einmal pro Woche erscheint ein neues Video bei Facebook, in dem ein Protagonist einem Thema nachgeht.

Viele Formate haben einen subjektiven Zugang – und wollen provozieren

Unterstützt werden die drei von der Redaktion des ZDF-Magazins Frontal 21. „Wir sind ein Info-Format, aber wir wollen konfrontativ sein und investigativ“, sagt Ronja von Rönne. In ihrer ersten Geschichte geht es um Menschen, die sich auf Katastrophen vorbereiten. Die beiden anderen recherchieren Rap aus der Nazi-Szene und zu radikalen Christen. Gemein ist den Geschichten, dass sie einen „subjektiven Zugang“ haben – und „durchaus auch Haltung“, wie von Rönne sagt. Das mache einen auf Facebook angreifbar, und genau das wolle man.

Andere Formate wollen unterhalten, zum Beispiel „Kliemannsland“. Darin baut der aus dem Netz bekannte Heimwerker Fynn Kliemann einen alten Bauernhof bei Hamburg um, lädt Gäste dorthin ein und macht Musik. In „Wishlist“, einer zehnteilige Mystery-Serie, geht es um die Frage was passieren würde, wenn jeder Wunsch in Erfüllung gehen könnte.

Oder die „Datteltäter“ – zwei Sunniten, eine Schiitin, ein Konvertit und ein Christ, die politische Satire machen. „Wir widmen uns Themen wie Rassismus, Sexismus und Stereotypen“, sagt Aktivistin Farah Bouamar, eine der „Datteltäter“. In den wöchentlichen Web-Videos geht es um „Kopftuch-Kommentare aus dem Netz“, um „Ausländerseuche“ oder „12 Dinge, die Muslime nie sagen“. Hintergedanke sei es, Vorurteile zu entlarven, ein „Satire-Kalifat“ aufzubauen, wie sie sagen. Und damit gegen Islamophobie, aber auch gegen Radikalisierung zu wirken. Die Gruppe gibt es auf der Internet-Plattform Youtube schon länger, ihre Videos erreichen schon mal um die 10.000 Aufrufe. Für „funk“ produzieren sie nun regelmäßiger, professioneller und eben für Geld.

In der App werden auch internationale Lizenzserien ausgestrahlt

Gegen den Vorwurf, man kaufe sich bestehende Youtube-Formate ein und mache daraus das „funk“, wehrt sich Sophie Burkhardt. „Da gibt es Leute, die brauchen vielleicht noch redaktionelle Unterstützung, und die können wir bieten“, sagt sie. Die meisten Inhalte wurden neu entwickelt und produziert, bereits jetzt sei man auch dabei, 30 neue Angebote zu entwickeln.

Mit dem Start der neuen Formate im Netz wird ab dem 1. Oktober auch eine neue Smartphone- und Tablet-App öffentlich. Hier wird es jeden Tag bis zu sechs Geschichten geben, die Fakten, Hintergründe, Bilder oder Netz-Fundstücke zu einem bestimmten Thema bündeln, mit Verweis auf ein Format. In der App wird es auch eine Reihe von internationalen Serien geben – beispielsweise „The Aliens“ oder „Banana“. Man habe mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag „erstmals die Möglichkeit, Lizenzserien zu kaufen und die werbefrei auszuspielen“, sagt Sophie Burkhardt. Das sei aber nicht der Hauptauftrag – und somit auch keine Konkurrenz für private Anbieter, betont sie. Die nämlich hatten im Vorfeld die Kritik geäußert, dass die öffentlich-rechtlichen im Netz nun gebührenfinanziert viele Freiheiten eingeräumt bekommen.

Die Botschaft jedenfalls, die an diesem Tag zwischen Bio-Limonade und Schoko-Donuts aus dem dritten Hinterhof des alten Berliner Fabrikgeländes vermittelt wird, ist deutlich. Das, was hier passiert, ist anders als ARD und ZDF bisher waren, ist stylischer, unverstaubt. Man will „organisch in die Lebenswelt der 14- bis 29-Jährigen“ vordringen, wie Burkhardt sagt. Ob das gelingt, wird sich wohl irgendwann in ein paar Monaten zeigen, wenn die Netzaufrufe, Likes und Shares der Webvideos gezählt werden.