Vertreter von sozialen Diensten berichten beim „Treff Sozialarbeit“ von einer wachsenden Konkurrenz zwischen verschiedenen Gruppen an armen Menschen – darunter Wohnungslose, Osteuropäer und Flüchtlinge.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Gibt es Verteilungskämpfe unter den Armen in Stuttgart? Zumindest der Konkurrenzdruck unter sozial Schwachen ist gestiegen – sei es um Essen, Wohnraum oder Kleidung. Die hohen Flüchtlingszahlen machen sich bemerkbar, aber auch der Zustrom von mittellosen Menschen aus Osteuropa. Das berichteten mehrere Vertreter von sozialen Diensten beim „Treff Sozialarbeit“ der Evangelischen Gesellschaft am Donnerstag. So sei das Geschäft der angestammten Pfandflaschensammler bedroht, weil Menschen aus Südosteuropa nun ebenfalls versuchten, das Einkommen hierüber zu erschließen, nannte Michael Knecht von der Ambulanten Hilfe ein Beispiel. Die Sozialarbeiter der Dienste, aber auch Mitarbeiter des Sozialamts, würden aktuell am Anschlag arbeiten, ist ein weiteres Ergebnis der Veranstaltung mit dem Titel „Solidarität statt Konkurrenz?! Zur Situation und Haltung miteinander konkurrierender sozialer Dienste um die Ressourcen“.

 

„Das System, egal welches, ist verstopft. Wir müssen lernen, mit dieser Knappheit umzugehen“, so der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Gesellschaft, Heinz Gerstlauer. Eigentlich seien sie dafür da, Hilfe zu gewähren, doch der momentane Zustand sei, dass man auch Hilfe verwehren müsse. So haben Menschen aus Osteuropa, die hierher kommen und keine Arbeit finden, keine Ansprüche.

Konkurrenz auch in der Jugendhilfe

„Unterschiedliche Personengruppen erhalten unterschiedliche Leistungen – wir müssen das aushalten“, sagte die stellvertretende Bereichsleiterin des Krisen- und Notfalldienstes, Stefanie Sekler-Dengler. Sie berichtete vom Frust der betroffenen Menschen aus Osteuropa, denen man nur eine einzige Nacht in der Notunterkunft vermitteln könne und eine Rückfahrkarte von der Stadt – mehr aber nicht. Wenn man ihnen noch ein Vesper oder einen Apfel anbiete, werde das von einigen zunächst als Provokation interpretiert.

Schwierig sei es für den Dienst, wenn es um Plätze in der Notaufnahme für Jugendliche geht. Stefanie Sekler-Dengler nannte das Beispiel eines Stuttgarter Mädchens, das vom Stiefvater missbraucht worden sei und auf keinen Fall wieder nach Hause wollte. Eine städtische Notaufnahme für Minderjährige des Jugendamts sei für die 15-Jährige nicht infrage gekommen, weil die Angebote überbelegt seien mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen. Man habe einen Platz gefunden – aber außerhalb von Stuttgart. „Auch in der Jugendhilfe gibt es Konkurrenz“, sagte sie.

Zu wenige Sozialwohnungen in Stuttgart

„Konkurrenz entsteht, wenn Mangel herrscht“, fasste Michael Knecht zusammen. Für den Sozialarbeiter der Ambulanten Hilfe zeigt sich das besonders beim Thema Wohnraum. „Die, die auf sozialen Wohnraum angewiesen sind, spüren die Konkurrenz ganz deutlich“, sagte Michael Knecht, der kritisierte, dass der soziale Wohnungsbau zu wenig gefördert werde. Er lobte aber, dass die Landeshauptstadt eine dritte zentrale Notübernachtungsstelle eingerichtet hat. Niemand müsse draußen schlafen – Ausnahme: die Roma. Dass sie im Schlossgarten nächtigen müssten, verstoße gegen die Menschenwürde, meinte er.

Für Ärger unter Betroffenen sorge zudem die Ungleichbehandlung beim A-Schein für eine Sozialwohnung: In Stuttgart anerkannte Flüchtlinge erhalten ihn sofort, alle anderen müssen dafür in der Landeshauptstadt drei Jahre gelebt haben. „Die Drei-Jahres-Frist gilt für alle abgeschafft“, findet der Sozialarbeiter. Letzteres sieht auch der Abteilungsleiter der Dienste für Menschen in Armut, Wohnungsnot und Migration bei der Eva, Thomas Winter, so. „Gebt es den Deutschen auch, nehmt es den anderen nicht weg“, sagte er. Die A-Schein-Regelung sei aber alt, sie sei noch aus den 90er Jahren. „Wir müssen differenzieren“, so Winter.

Gabriele Reichhardt, die stellvertretende Sozialamtsleiterin, sieht beim sozialen Wohnungsbau eine Gesamtverantwortung. Auch die Landkreise seien hier gefordert, nicht nur die Großstadt Stuttgart.