Ein Bulgare soll von seinem Landsmann bedroht worden sein. Der hatte ihn in seiner Heimat angeworben, in Stuttgart zum Betteln geschickt und ihm die Einnahmen abgenommen. Bei einem Fluchtversuch verhaftet die Polizei den Peiniger.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Mit einer dramatischen Flucht hat sich ein Bettler am Wochenende seinem Peiniger entzogen. Der 50-jährige Bulgare stürzte sich bei einer Tankstelle am Westbahnhof aus dem Wagen seines Landsmannes, der ihn zum Betteln geschickt und ihm seine Einnahmen abgenommen haben soll. Die Polizei konnte den 39-jährigen Hintermann festnehmen. Gegen ihn wird nun wegen Menschenhandels ermittelt.

 

Der Bettler war am späten Samstagabend in der Innenstadt abgeholt worden. Auf einem Parkplatz in der Nähe des Westbahnhofs soll er dem 39-Jährigen das erbettelte Geld übergeben haben. Dem 50-Jährigen gelang bei dieser Gelegenheit die Flucht mit seinem Rollstuhl – er schaffte es bis zur Rotenwaldstraße. Dort holte ihn der Landsmann wieder ein, schlug den Entflohenen und setzte ihn ins Auto. Diese gewalttätige Auseinandersetzung beobachtete ein Zeuge, der die Polizei rief. An der Tankstelle griffen die Beamten die beiden Männer auf. Der 50-Jährige hatte sich nach seinem Sturz aus dem Wagen geweigert, wieder einzusteigen.

Der 50-Jährige ist in seiner Heimat angeworben worden

Der 50-Jährige sitzt im Rollstuhl, beide Beine sind amputiert. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen in Bulgarien. Dort soll vor ein paar Wochen ein Mann – der nun festgenommene 39-Jährige – aufgetaucht sein. Es sei nicht einfach gewesen, die Geschichte des Bettlers zu erfahren, sagt ein Polizeisprecher. Ein Zeuge, der auch die Polizei alarmierte, übersetze für die Polizei aus dem Türkischen, die Sprache wird in Bulgarien auch gesprochen. So erhielten die Beamten erste Einblicke. Der Bettler soll seit etwa zwei Wochen in Deutschland sein. Der 39-Jährige soll ihn angeworben haben mit dem Versprechen, man könne in Deutschland richtig viel Geld verdienen. Hier angekommen, habe der 50-Jährige alle Einnahmen abgeben müssen und sei von dem 39-Jährigen massiv bedroht und geschlagen worden. Der Tatverdächtige sitzt nun in Untersuchungshaft. Der Bettler lehnte es zunächst ab, in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Nachdem er auf der Wache im Laufe seiner Aussage wohl Vertrauen geschöpft hatte, ließ er sich am frühen Sonntagmorgen doch noch in eine Klinik bringen. Er habe keine schweren Verletzungen gehabt, sagt der Polizeisprecher.

Stadt schreitet bei aggressiven Betteln ein

Zurzeit seien regelmäßig zwischen zehn und 15 Bettler an der Königstraße unterwegs, sagt Hans-Jörg Longin vom Amt für öffentliche Ordnung. Stilles Betteln ist erlaubt. Vor allem die über Banden und Hintermänner ins Land gebrachten Bettler würden jedoch aggressiv oder in Demutshaltung betteln, hier schreitet die Stadt ein.