Der Armut- und Reichtumsbericht der Regierung ist noch nicht einmal publik – da wird er schon als Wahlkampfmunition missbraucht. Das ist nicht seriös, kommentiert Roland Pichler.

Berlin - Er kommt, er kommt nicht: Es ist ein unwürdiges Schauspiel, das die große Koalition um den Armuts- und Reichtumsbericht veranstaltet. Seit Wochen steht der Bericht aus. Auch jetzt ist er noch nicht vom Kabinett behandelt worden, dennoch gibt Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) bereits ihre Auslegung zum Besten. Wenig überraschend ist, dass sich Nahles vor allem das heraussucht, was ins SPD-Wahlprogramm passt. Von seriöser Regierungsarbeit kann keine Rede mehr sein. Es ist zwar richtig, dass schon frühere Regierungen über die Deutung des Berichts stritten. Das Gezeter der großen Koalition um dieses Werk ist aber einmalig.

 

Dabei liegt in einem fundierten Armuts- und Reichtumsbericht eine Chance. Der Sinn besteht darin, der Politik Orientierung zu geben. Stimmt es, dass der Niedriglohnsektor auch wegen der Globalisierung weiter wächst? Wie groß ist das Gefälle von Durchschnitts- und Spitzeneinkommen? Mit diesen Fragen hätte sich die Regierung ernsthaft auseinandersetzen müssen. Stattdessen liefert Nahles Versatzstücke. Sie nimmt die Aussagen vorweg, die ihr ins Konzept passen. Fest steht schon jetzt, dass der Armuts- und Reichtumsbericht kaum Einfluss auf die Politik entfalten wird. Dazu kommt die Veröffentlichung viel zu spät. Teile der Regierung befinden sich schon jetzt im Wahlkampfmodus.