Die Art Karlsruhe, die man noch bis Sonntag besuchen kann, versteht sich als Wohlfühlmesse. Das sieht man dem Angebot auch an.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Karlsruhe - Was ist nur mit Angela Merkel los? Ausgerechnet die Frau, die für Kontinuität und Beharrlichkeit steht, macht nervös. Man weiß gar nicht, wohin in Merkels Gesicht schauen. Dabei hat Holger Kurt Jäger auf seinem Merkel-Porträt einen simplen Effekt angewandt und der Kanzlerin zwei Augenpaare gemalt. Das Ergebnis ist verblüffend irritierend. Verwirrt reibt man sich die Augen – der Blick hat keine Chance, sich in diesem Bild festzuhaken.

 

3000 Euro kostet „Merkel“ – eine der günstigeren Arbeiten auf der diesjährigen Art Karlsruhe. Bis Sonntag werden auf der Karlsruher Messe Klassische Moderne und zeitgenössische Kunst angeboten. Zum zwölften Mal findet die Messe nun statt und hat sich längst ihren festen Platz in der deutschen Messelandschaft erobert. Eine echte Einsteigermesse, bei der sich auch mit kleinem Geldbeutel etwas finden lässt, ist die Messe längst nicht mehr. Man mag zwar noch ein Multiple von Timm Ulrichs zu 390 Euro bekommen, ein Blechschild mit der Aufschrift „Lesen Sie diesen Satz nicht zu Ende“, aber viele der Gemälde – und es gibt vor allem Gemälde – kosten um die 7000, 8000 Euro.

Natürlich kann man auch in diesem Jahr wieder Werke von musealer Qualität erwerben, wie die jeweiligen Händler nicht müde werden zu betonen. Ludorff aus Düsseldorf hat ein luftiges Gartenbild von Max Liebermann dabei – 850 000 Euro kostet „Enkel mit Kinderfrau im Nutzgarten“. Henze & Ketterer bietet sogar einen Bergwald von Ludwig Kirchner zu 2,8 Millionen Euro an, denn Karlsruhe sei zeitweise die umsatzstärkste Messe gewesen, behauptet Wolfgang Henze, schließlich sitze „im südwestdeutschen Raum das meiste Geld und das größte Künstlerinteresse“.

Aber auch wenn man in der Klassischen Moderne hochpreisig verkaufen mag, ist die Art Karlsruhe die Messe für das Mittelfeld – solide, sympathisch, bodenständig. Hier gibt es keine Sensationsverkäufe, keine Provokationen – hier wird das Publikum aber auch nicht allzu stark herausgefordert. Das Gros der Galerien macht eine gute Arbeit, fördert den Nachwuchs, engagiert sich für einzelne Positionen. Kunstgeschichte aber wird hier nicht geschrieben.

Wer zeigt denn hier den Stinkefinger?

Als schere ihn das nicht, begrüßt ein mannshoher Gartenzwerg von Ottmar Hörl diesmal die Besucher mit gerecktem Stinkefinger. Hörl gehört zu den ewigen Dauergästen dieser Messe wie auch Armin Müller-Stahl, dessen „Hamlet“-Porträt für 6800 Euro angeboten wird. Damit es nicht zu viele Déjà-vus gibt, versucht der Kurator der Messe, Ewald Karl Schrade, immer wieder frische Impulse zu setzen und neue Partner zu gewinnen – wie in diesem Jahr das Schauwerk Sindelfingen, das die Sammlung Schaufler vorstellt und die Besucher mit der riesigen Spiegelwand von Gary Webb begrüßt.

Schrade hat seine Fühler auch in Richtung Ungarn ausgestreckt, hat eine Sonderausstellung mit Fotografien von Robert Capa initiiert und ungarische Galerien gewonnen wie die INDA Gallery aus Budapest. „Herr Schrade hat uns angesprochen“, erzählen die Galeristinnen, die bisher zwar nach Dubai auf die Messe gingen, aber noch nie in Deutschland ausgestellt haben. Sie sind zuversichtlich: Zwei Fotografien konnten sie noch vor der offiziellen Eröffnung verkaufen, die Unkosten seien also bereits gedeckt.

Luftiger ist es geworden in den Hallen, die Kojen sind großzügiger. Es sind 210 Galerien, zehn weniger als im Vorjahr. Franzis Engels aus Amsterdam ist eine der 32 Neuzugänge. Nachdem in den Niederlanden die öffentlichen Mittel für die Kultur immer drastischer gestrichen würden, wolle sie ihre Künstlerinnen und Künstler nun in Deutschland bekannter machen. „Die Menschen sind hier vertrauter mit der Kunst“, meint Engels, „das macht es sehr angenehm.“ Ihre Wahl ist auf Karlsruhe gefallen, weil der Messe ein guter Ruf vorauseile: angenehme Atmosphäre, gute Organisation, interessiertes Publikum.

Von Fotografien abgepinselt

Doch der gute Ruf scheint zu bröckeln. Einige Galeristen, die seit Jahren dabei waren, haben sich überraschend verabschiedet, darunter auch Stuttgarter wie Angelika Harthan und Anja Rumig, die im vergangenen Jahr sogar den Art-Karlsruhe-Preis für ihre One-Artist-Show von Jessica Buhlmann gewonnen hatte. Auch Michael Sturm fehlt. Er sagt es deutlich: „Ich konnte mit meinem Programm nicht landen.“

Auch Sturm hat 2009 den Art-Karlsruhe-Preis gewonnen, was zeigt, dass die ambitionierten Galeristen mit wegweisenden, manchmal eben auch sperrigen Positionen sich beim Verkauf offensichtlich schwertun auf der Karlsruher Messe. Das beweist auch das diesjährige Angebot: Es gibt sehr viel ordentliche, aber gefällige Malerei. Immer wieder begegnet man Figuren in banalen Kontexten: Passanten auf der Straße, Menschen auf Plätzen, Urlaubern am Strand. Oft sieht man den Szenen an, dass sie von Fotografien abgepinselt wurden – und mal in eigenständigere, mal in schnelle, grobflächige Malerei übersetzt wurden. Vieles ist durchaus souverän gearbeitet und von anständiger Qualität, mehr aber auch nicht. So kann man es durchaus auch anders verstehen, was die Messechefin Britta Wirtz zur Eröffnung der Art Karlsruhe sagte: „Wir haben das Konzept einer Wohlfühlmesse.“