Eine noch nie erprobte Artenschutzmaßnahme stößt bei den Bürgern im Landkreis Biberach auf Unverständnis – 400.000 Euro haben zwei Brücken, gekostet, die Fledermäuse mit akustischen Signalen sicher über eine Umgehungsstraße leiten sollen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Biberach - Knapp 22 Millionen Euro kostet eine neue Stadtumfahrung, die die Stadt Biberach und die nahe Gemeinde Warthausen vom Verkehr entlasten soll. Im Frühjahr wird die 4,3 Kilometer lange Kreisstraße, die zu mehr als der Hälfte vom Land finanziert wird, fertig sein, doch von Vorfreude ist bisher wenig zu spüren. Das hat mit zwei vordergründig rätselhaften, fünf Meter breiten und 40 Meter langen Brücken zu tun, die den rund zehn Meter tiefen Geländeeinschnitt der Nordwestumfahrung überspannen. Anfang Dezember lüftete der Biberacher Landrat Heiko Schmid das Geheimnis: Die Brücken zwischen zwei Waldstücken sollen die Fluggebiete für Fledermäuse sichern. Die Kosten dafür betragen rund 400 000 Euro.

 

„Alle Fledermausarten gelten als europarechtlich geschützte Arten“, begründete der Landrat, doch Verständnis erntete er bisher wenig. Ein Proteststurm bläst durch den oberschwäbischen Landkreis. Die Bekanntmachung fiel mit einer höchst emotional geführten Debatte um die Schließung der Kreiskrankenhäuser in Riedlingen und Laupheim zusammen. Am vergangenen Freitag ist im Kreistag der Beschluss zur Privatisierung der kommunalen Klinikgesellschaft – und damit zur baldigen Schließung der hoch defizitären Häuser – gefasst worden.

Die Notwendigkeit der Brücken wird bezweifelt

Auch Kreisräte fragten bei der Sitzung am Freitag nochmals nach den Fledermausbrücken und ob ihr Bau wirklich notwendig gewesen sei. An ihnen waren die Proteste, die via Twitter oder über Eintragungen auf der Homepage der örtlichen „Schwäbischen Zeitung“ aufgelaufen waren, nicht vorbeigegangen. „Wären wir alle Fledermäuse, dann würden die zwei Krankenhäuser nicht geschlossen“, schrieb ein Nutzer. Ein anderer findet es „toll, wie Arbeitsplätze im Metallbereich gesichert werden“, und noch ein anonymer Schreiber höhnte: „Ich hoffe, die Maulwürfe fangen jetzt nicht auch noch an, Montagsdemonstrationen abzuhalten“.

Bei der Kreisverwaltung ist man selber nicht glücklich über den Bau. „Es war aber allen klar, dass ohne diese Brücken die Straße nicht hätte gebaut werden können“, sagt ein Sprecher der Kreisverwaltung. „Ich hätte auch lieber was anderes gebaut“, sagt Georg Stolz, der Leiter des Straßenamtes. Doch der Schutz der Fledermauspopulationen sei – nach vorhergehender Umweltverträglichkeitsstudie – eine Auflage des Regierungspräsidiums Tübingen gewesen. Seit der Anpassung des deutschen Naturschutzgesetztes an europäisches Recht im Jahr 2007 sind die artenschutzrechtlichen Bestimmungen deutlich verschärft worden.

Die nachtaktiven Tiere sollen nicht von Autos erfasst werden

Ein Biberacher Arbeitskreis, zusammengesetzt aus Vertretern des Regierungspräsidiums, Tierökologen, Landschafts- und Tragwerksplanern, habe in vielen Sitzungen Entwürfe ausgearbeitet, wie verhindert werden könne, dass die bodennah jagenden Fledermäuse von Autos erfasst und getötet werden, berichtet Stolz. Die schließlich gefundene Idee mit den Brücken, an denen sich die Tiere mittels Ultraschall bei der Querung der Straße orientieren sollen, sei in Deutschland völlig neu.

Die Brücken sind sogar so neu, dass niemand weiß, ob sie den geschützten Tieren auch helfen werden. Ein externes Fachbüro ist mit einem mehrjährigen Monitoring beauftragt worden. Mit Detektoren und Infrarotkameras sollen Experten das Flugverhalten der Fledermäuse nachzeichnen. Für einen Biberacher Netzkommentator ist das alles „nur ein Ablass für das schlechte Gewissen, schon wieder einen Lebensraum zerstört zu haben“.

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