Schon lange schlagen Wissenschaftler Alarm, weil die Bestände der Bienen und anderer Bestäuber stark abnehmen. Bei einer UN-Konferenz in Kuala Lumpur haben sie nun nach Möglichkeiten gesucht, wie man diese Tiere besser schützen kann.

Stuttgart/Kuala Lumpur - Bald ist es wieder so weit und Honigbienen summen gemächlich von einer Blüte zur nächsten. Der Leistung, die von den Bestäubern erbracht wird, widmeten sich die Vereinten Nationen in Kuala Lumpur in den vergangenen Tagen. Seit dem 22. Februar 2016 verhandeln Vertreter aus 120 Ländern über das Schicksal der Honigbienen und vieler anderer Insekten, Vögel und Säugetiere, die Pflanzen bestäuben und sie so bei der Vermehrung unterstützen.

 

Die Arbeit der Tiere ist bis zu 577 Milliarden US-Dollar wert

Bis zu 90 Prozent aller Pflanzenarten sind bei der Produktion von Nachkommen von den Bestäubern abhängig. In der Landwirtschaft bringen es Bienen und Co. auf eine jährliche Weltwirtschaftsleistung zwischen 235 und 577 Milliarden US-Dollar – das entspricht etwa dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Viele dieser fleißigen Bestäuber sind in der modernen Welt erheblich unter Druck geraten und dementsprechend gefährdet. Die Vereinten Nationen sehen deshalb dringenden Handlungsbedarf. Die Konferenz soll nun die Grundlage für neue Strategien liefern.

Auf dem Weg dahin liegen gewaltige Hindernisse: „Allein zu den Bestäubern gibt es eine Viertelmillion Publikationen“, erklärt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle an der Saale. Nach dem Vorbild des Weltklimarates IPCC haben die Vereinten Nationen 2012 auch den Welt-Biodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) mit einem Sekretariat in Bonn gegründet. Ganz oben auf seiner Tagesordnung stehen aus gutem Grund die Bestäuber: „Die Forschung hat dazu bereits etliche Ergebnisse, und die Bestäuber sind für die Gesellschaft sehr wichtig“, erklärt Josef Settele, der einer der Herausgeber des 600 Seiten starken Berichtes des IPBES zum Thema ist.

Vor allem aber haben Bestäuber eine Schlüsselrolle in der Natur. Nicht nur die Honigbienen bestäuben Blüten. Diese Dienstleistung wird auch noch von rund 20 000 weiteren Bienenarten erbracht, zu denen auch die Hummeln gehören, außerdem von Schwebfliegen, Nachtfaltern und Schmetterlingen, aber auch von Fledermäusen und Vögeln.

Auch Fledermäuse sind als Bestäuber wichtig

Meist handelt es sich also um sehr mobile Arten. Eine Blüte mag ja bei einem Luftzug schwanken, dann trägt der Wind federleichte Pollen ein Stück weit. Eine Honigbiene erledigt das Gleiche viel effektiver, weil sie mit den aufgelesenen Pollen schnurstracks zur nächsten Blüte summt und so ihre Fracht punktgenau dort abliefert, wo sie von den Fortpflanzungsorganen erwartet wird. Obendrein machen sich Bienen bei Imkern und in der Natur als Allrounder beliebt, die sehr unterschiedliche Blüten ansteuern. „Die Honigbiene ist eine Art ‚Universal-Heini‘ unter den Bestäubern“, erklärt Josef Settele. Genau deshalb spielen Bienen in der Landwirtschaft auch eine tragende Rolle. Aber sie sind damit nicht die Einzigen.

So locken die großen Blüten der Bananenstauden auch Fledermäuse an, die sich vom Nektar ernähren und nebenbei die Blüten bestäuben. Im tropischen Amerika verlässt sich eine ganze Reihe von Pflanzen bei ihrer Vermehrung auf die fliegenden Säugetiere. Manche Fledermäuse wandern über mehr als tausend Kilometer und verbinden so die bestäubten Pflanzen in sehr unterschiedlichen Regionen miteinander. Das kommt auch der Vielfalt des Erbgutes zugute. Kommen die fliegenden Säugetiere in Schwierigkeiten, könnte das daher verschiedene Pflanzenarten und auch die Bananenernte in Mitleidenschaft ziehen.

Eine solche Entwicklung scheint wahrscheinlich zu sein. So listet die Weltnaturschutzunion IUCN 16,5 Prozent der Bestäuber unter den Wirbeltieren als vom Aussterben bedrohte Arten. Für Insekten, die den größten Teil der Bestäuber stellen, gibt es solche weltweiten Erhebungen der IUCN allerdings bisher nicht. Regionale und nationale Untersuchungen zeigen jedoch ein ähnliches Bild: In Europa sind 37 Prozent der Wildbienen-Arten und 31 Prozent der Schmetterlinge im Sinkflug. Bei diesen Zahlen fehlen allerdings einige Arten, von denen sich die Forscher bisher noch kein gutes Bild machen können. Allein bei den Wildbienen handelt es sich dabei um 57 Prozent aller Arten.

Die Ursachen für den Rückgang der Bestäuber sind so vielfältig wie die Bestäuber selbst. Zum Beispiel leben die Hummeln genau wie die Honigbiene in Insektenstaaten. Ihre Nester bauen Hummeln gern unter der Erde. Gleichzeitig gelangen aus der Landwirtschaft, dem Verkehr und Verbrennungen in der Industrie große Mengen Stickstoff-Verbindungen in die Luft. Von Niederschlägen wieder ausgewaschen, überdüngen sie den Boden. „Pflanzen wachsen kräftiger und wuchern den Boden zu, dadurch kommt weniger Sonnenenergie bis zur Oberfläche und die Feuchtigkeit steigt“, erklärt Josef Settele. Das aber verträgt die Brut der Hummeln schlecht – und der Nachwuchs geht zurück.

Wie man die bedrohten Arten besser schützen könnte

Natürlich nennen die Forscher des Welt-Biodiversitätsrates auch Möglichkeiten, wie man den Bestäubern helfen könnte. So sollten sich Äcker und Wiesen nicht über riesige Flächen ziehen, sondern relativ klein bleiben, weil in solchen kleinräumigen Strukturen meistens mehr Arten und damit auch mehr Bestäuber vorkommen. Liegen zwischen den bewirtschafteten Flächen auch noch Streifen mit vielen Blüten, ist das umso besser. Deren wichtige Rolle bringt UFZ-Forscher Josef Settele in Südostasien den Bauern mit einfachen Beschreibungen nahe: „Dort fliegen nicht nur viele Bienen und damit Bestäuber. Unsichtbar bleiben dagegen deren kleinen Schwestern und Brüder, die wir Wissenschaftler Schlupfwespen nennen. Diese aber legen ihre Eier in Schädlinge und vernichten so die lästigen Mitesser, die sonst häufig die Ernte schmälern.“

Greifen Reisbauern dagegen zu Insektiziden, vernichten sie schädliche und nützliche Insekten gleichermaßen. Für reisfressende Zikaden sind solche Felder eine Art Schlaraffenland und die Schädlinge kommen rasch wieder hoch. Ihre Gegenspieler dagegen haben mangels Zikaden erst einmal schlechte Karten. Diese Schlupfwespen kommen daher nur viel später wieder hoch und können dann nicht mehr viel gegen die Schädlinge ausrichten. Am Ende bringen dann die mit einem Insektizid behandelten Flächen erheblich geringere Erträge als die Ecken, in denen der Bauer auf die chemische Keule verzichtet hat.

„Solche komplizierten Zusammenhänge kann man nur vor Ort und mit viel Geduld und einfachen Beispielen erklären“, fasst Josef Settele seine Erfahrungen zusammen. Mit der Verabschiedung des IPBES-Berichtes auf der UN-Biodiversitätskonferenz in Malaysia geht die Arbeit zur Rettung der Bestäuber-Vielfalt also erst los.