Als der Unfallchirurg Matthias Baumann von der Katastrophe in Nepal hört, macht er sich sofort auf den Weg, um zu helfen. Auf den Arzt aus Tübingen wartet ein harter Einsatz im Erdbebengebiet.

Stuttgart - Erst im März ist Matthias Baumann in Nepal gewesen. Nach dem Lawinenunglück vom 18. April 2014 am Mount Everest hatte der passionierte Bergsteiger, Expeditionsarzt und Unfallchirurg 100 000 Euro für die Familien der damals getöteten Sherpas gesammelt, mit denen die Schulausbildung der Kinder der Bergführer und Träger sichergestellt werden soll. Am Sonntag ist Baumann erneut nach Kathmandu geflogen. Auf ihn als Unfallchirurg, das weiß der Tübinger, wartet diesmal ein ungleich härterer Einsatz. Denn bei dem Erdbeben sind nicht nur mehr als 2000 Menschen getötet, sondern Tausende auch schwer verletzt worden.

 

Matthias Baumann, Bergsteiger und Unfallchirurg in Tübingen, kennt das Gebiet um den Mount Everest. Foto: StZ
„Ich rechne mit vielen offenen Knochenbrüchen“, sagte Zimmermann vor seinem Abflug. Angesichts der Tatsache, dass auch die Krankenhäuser im Kathmandu-Tal – zu dem auch die historischen Städte Bhaktapur und Patan gehören – teilweise zerstört sind, stelle er sich auf primitive und harte Arbeitsbedingungen ein, sagte er, „auch wenn ich nicht hoffe, im Zelt operieren zu müssen“. Die Lage vor Ort, so hat er aus Anrufen der von ihm betreuten Sherpafamilien erfahren, sei dramatisch, „Matthias come and help“, habe ihn ein Mann aus Khumjung, einem Dorf auf dem Trekking-Pfad zum Mount Everest, gebeten. Auch dort, in der Kälte auf fast 3800 Metern Höhe, würden die Menschen aus Angst vor Nachbeben im Freien schlafen. Über die Opfer und Zerstörungen in den abgelegenen Bergregionen ist bisher noch kaum etwas bekannt, viele Dörfer seien ausradiert, hat er gehört, aber vielfach gibt es dorthin noch nicht einmal Straßen. Die Schreckenszahlen werden also noch weiter steigen. Baumann kooperiert bei seinem Einsatz mit dem Technischen Hilfswerk und der internationalen Hilfsorganisation Humedica, die ihren Sitz im bayerischen Kaufbeuren hat. Und er hofft, dass die Bereitschaft hierzulande, den zumeist bitterarmen Menschen in Nepal zu helfen, groß ist.

Natürlich ist er auch in Gedanken bei seinen Bergsteigerfreunden am Mount Everest. 2014 musste er eigene Ambitionen wegen des Sherpa-Unglücks begraben; dieses Jahr hat er wegen einem Stellenwechsel darauf verzichtet. Doch nach Berichten von Betroffenen warten auch dort noch hunderte Bergsteiger und Sherpas auf ihre Rettung. Die meisten sind im Basislager auf knapp 5300 Metern Höhe, oder den Lagern 1 und 2, die 6200 und 6400 Meter hoch liegen. „Entscheidend ist, dass das Wetter gut ist, dann können Hubschrauber sie ausfliegen,“ sagt Baumann, „bis 7500 Meter Höhe können die Rettungsflieger helfen“. In den Lagern sei eigentlich eine gute Logistik vorhanden, „entscheidend ist aber, wie gut man akklimatisiert ist und mit der dünnen Luft in dieser Höhe klarkommt.“ Und ein Problem sei auch der Khumbu-Eisfall unterhalb des Basislagers. Das Beben und darauffolgende Lawinen haben nicht nur die Leitern und Sicherungsseile weggerissen, sondern die ganze Gletscherlandschaft verändert. Alles müsste neu erkundet und gesichert werden. Doch daran denkt im Moment aus Angst niemand.