Jahrelang war er eines der Aushängeschilder des SWR. Nun wechselt der preisgekrönte Kriegsreporter Ashwin Raman zum ZDF. Offiziell ist von Ermüdungserscheinungen die Rede, doch die Gründe seines Weggangs könnten tiefer liegen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Vorige Woche zeigte sich mal wieder, was Ashwin Raman zu einem ganz besonderen Kriegsreporter macht. Da lief sein jüngster Film im Fernsehen, „An vorderster Front – Der Krieg gegen den IS“. Zwei Monate lang war der indischstämmige Dokumentarfilmer dafür im Nordirak unterwegs, wie stets alleine, nur mit seiner Handkamera. Vor dem erwarteten – und inzwischen begonnenen – Vormarsch auf Mossul begleitete der Siebzigjährige Einheiten der kurdischen Peschmerga, samt einem deutschsprachigen Offizier.

 

Was ihm dieser und andere Protagonisten berichteten, was Raman dazu an Bildmaterial mitbrachte, lässt das Leben an der Frontlinie plastisch werden wie selten. Gezeigt wird etwa der Alltag von Kämpfern, die mit alten, selbst gekauften Kalaschnikows wochenlang in kleinen Posten ausharren, eine erbeutete Camouflage-Jacke, mit der sich IS-Leute vor Wärmebildkameras schützen, oder ein mehrfacher Millionär und General, der viel von seinem Vermögen in den Kampf gegen den Islamischen Staat steckt. In einer umkämpften Kleinstadt geriet Raman mit seinen Begleitern sogar in ein Feuergefecht. „Kugeln flogen uns um die Ohren“, erzählt er, „ein Wunder, dass es keine Toten gab.“

„Der SWR war mein Zuhause“

Nicht aus sicherer Distanz zu berichten, sondern sich mitten ins Geschehen zu begeben und mit den Menschen zu sprechen – das ist das Markenzeichen des Kriegsreporters. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, mit dem Deutschen Fernsehpreis und zuletzt mit dem Otto-Brenner-Preis. Die Jury würdigte ihn 2015 als „mutigen Solisten“, dessen „beeindruckende Dokumentationen aus Kriegs- und Krisenregionen (. . .) ihresgleichen suchen“. Stolz war auch der Südwestrundfunk (SWR) als Ramans Haussender. Geehrt werde ein Kollege, „dessen Filme unmittelbar und berührend sind“, lobte der Fernsehdirektor Christoph Hauser; zudem entstünden sie „unter hohem persönlichem Risiko“. Raman dankte seinerseits dem SWR, namentlich dem TV-Chefredakteur Fritz Frey und dem für seine Filme zuständigen Redakteur.

Nun aber, nach 15 gemeinsamen Jahren, ist die Harmonie dahin. „An vorderster Front“ wurde nicht, wie gewohnt, als „Story im Ersten“ in der ARD ausgestrahlt, sondern im ZDF. Was war passiert, dass der Starreporter zur Konkurrenz wechselte? In einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst offenbarte Raman, wenn auch nur vage, ein Zerwürfnis. „Der SWR war mein Zuhause, und ich bin im Grunde ein sehr loyaler Mensch.“ Aber auch langjährige Beziehungen könnten einen Knacks bekommen. Geändert hätten sich „die Umstände der Betreuung meiner Filme“, mit der Folge, dass er sich „einfach nicht mehr wohlfühle“. Beim ZDF hingegen hätten ihm die Türen offen gestanden, dort sei die Zusammenarbeit „kollegial und auf Augenhöhe“. Mehr will er derzeit nicht sagen.

ZDF erfreut über den Neuzugang

Das Zweite zeigte sich hocherfreut über den Neuzugang. Raman sei einfach „ein gefragter Mann, weil er gute Sachen macht“, sagte der Vizechefredakteur Elmar Theveßen in einem Interview. Er habe wiederholt bewiesen, „dass er an Sachen und Menschen rankommt, die für andere so nicht zugänglich sind“. Trotz des Sendetermins um 0.45 Uhr kam die jüngste Doku auf mehr als 500 000 Zuschauer und neun Prozent Marktanteil; Ausschnitte und Zusammenfassungen liefen den ganzen Tag im ZDF, samt Studiogespräch mit dem Reporter. Der Sender versicherte Raman sogar ungefragt, was dieser als „sehr solidarisch“ empfand; bisher habe er das noch nie erlebt.

Beim SWR wurde Ramans Abgang hingegen sorgenvoll registriert. Einen solchen Mann, hieß es, dürfe man eigentlich nicht ziehen lassen. Intern kursieren inzwischen mehrere Erklärungen, was ihn zermürbt habe: Für jemanden, der sein Leben aufs Spiel setze, sei die Herrschaft des Apparats – samt den Rivalitäten zwischen Stuttgart und Mainz – schwer zu ertragen. Die eigene Handschrift der Autoren werde immer weniger geduldet, alles müsse ins Format passen. Und die Auslandsabteilung schützte eifersüchtig ihre festen Korrespondenten, die freilich lieber vom Hotelbalkon aus reportierten, als wie Raman an die Front zu gehen. Letztlich sei es der permanente Kleinkrieg, vor dem der Kriegsreporter kapituliert habe.

„Die Türen stehen ihm weiter offen“

Offiziell klingt der Sender deutlich gelassener. Reporter wie Raman („eine Ausnahmefigur in der deutschen Fernsehlandschaft“) seien eine „exquisite Ergänzung“ zu den stark an der Aktualität orientierten Korrespondenten, sagt der Chefredakteur Frey. Fernsehen sei Teamarbeit: Wenn Autor und Redakteur um den optimalen Film rängen, seien „manchmal auch hitzige Diskussionen normal“. Nach vielen Jahren konstruktiver Zusammenarbeit könne es wie in einer langen Ehe „zu Ermüdungserscheinungen kommen“ – aber das dürfe man nicht überbewerten. Von einem „Ende der Zusammenarbeit“ möchte Frey nicht sprechen, zumal der Reporter auch schon früher für andere gearbeitet habe. Er wünsche sich weitere gemeinsame Projekte und sei da auch zuversichtlich. „Die Tür des SWR steht für Ashwin Raman weiter offen.“