Das ZDF hat das altgediente Kulturmagazin „Aspekte“ in eine Show verwandelt. Die Sendung ist jetzt zwar lebendiger denn je, aber leider oft recht verzwungen auf jung gebürstet.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Sapere aude! Ausgerechnet den Kant’schen Leitsatz der Aufklärung legt der Filmemacher und Fernsehproduzent Alexander Kluge den öffentlich-rechtlichen Anstalten ans Herz: „Das wäre die Zukunft des Fernsehens: dass es etwas wagt!“, sagte er kürzlich in einem Beitrag der Kultursendung „Aspekte“, in dem Experten über die TV-Zukunft sinnieren.

 

Das ZDF hat diesen Wagemut an einer Stelle schon bewiesen: Der Sender hat jüngst die älteste bundesdeutsche Kultursendung – sie läuft seit 1965 – komplett umgekrempelt. Anfang Februar ist aus dem halbstündigen Magazin eine Kulturshow geworden, mit dem Ziel, ein „vielfältigeres und lebendigeres Kulturfernsehen im Hauptprogramm“ zu machen, wie der Leiter der für „Aspekte“ verantwortlichen Redaktion Kultur Berlin, Daniel Fiedler, formuliert. Gesendet wird nun, und zwar 15 Minuten länger als bisher, vor Studiopublikum und mit einem Moderatorenduo: Katty Salié, die „Aspekte“ seit 2012 präsentiert, stehen abwechselnd die Kollegen Tobias Schlegl und Jo Schück zur Seite. Die Moderatoren sagen nicht mehr nur Beiträge an, sondern führen häufig Interviews mit Studiogästen oder sind gar selbst als Reporter unterwegs. Auch ein Live-Act in der Sendung gehört zum neuen Konzept.

Die drei sind Mitte, Ende dreißig, und natürlich war es ein wesentliches Motiv des Relaunches, auch jüngere Zuschauer verstärkt zum Einschalten zu bewegen. Die Rechnung ist laut Daniel Fiedler aufgegangen: „Wir sind jünger geworden“, freut er sich – den Zuwachs bei den Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren beziffert er auf 0,6 Prozent, 35 Prozent der Zuschauer gehörten dieser Altersgruppe an, „damit sei ,Aspekte‘“ eine der „strukturell jüngsten Sendungen im ZDF“. Betrachte man die gesamte Zuschauerschaft, habe man bei den ersten acht Sendungen im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 auf nunmehr 5,9 Prozent Marktanteil zugelegt.

Drogen-Trends – gehört das in eine Kultursendung?

Alles richtig gemacht also? Wer freitagabends um 23 Uhr das ZDF einschaltet oder sich die Sendung in der Mediathek herbeiklickt, bekommt einen bunten Strauß an Kulturthemen präsentiert: Aktuelles aus den Sparten Kunst, Musik, Theater und Kino, aber auch immer wieder Stoffe, die in die Sphären von Politik und Gesellschaft hinübergreifen. Alles wie gehabt: die Grenzüberschreitung hat bei „Aspekte“ Tradition.

Allerdings muss man sich des Öfteren fragen, ob die Offenheit des Kulturbegriffs nicht allzu stark ausgeweitet wurde, schließlich gehört nicht jedes Phänomen, das junge Leute ansprechen könnte, in eine Kultursendung, auch wenn sie sich jetzt als Show versteht. So wird etwa berichtet, wie die Droge Crystal Meth „unser Land überschwemmt“ – im Zentrum des Beitrags, der, wie überraschend, an der Erfolgsserie „Breaking Bad“ aufgehängt ist, steht ein Suchtmediziner und Facharzt für Psychiatrie. Wohl eher ein Fall fürs Vermischte. Von beschränktem Erkenntniswert erweisen sich auch die Thesen des amerikanischen Philosophen Aaron James, der in seinem Buch mit dem zumindest werbetechnisch gelungenen Titel „Arschlöcher – eine Theorie“ den Versuch unternimmt, diese Spezies Mensch zu beleuchten.

Betont reflektierend-essayistisch hingegen geht man die Frage an, inwieweit die Ökonomisierung der Gesellschaft der Liebe den Garaus macht – eine nicht mehr ganz taufrische Beobachtung, die durch ein von zeitgenössischen Binsenwahrheiten getragenes Studio-Interview mit einer Soziologin noch mehr Gewicht bekommt.

Dabei ist der Versuch, Themen nicht mehr stur mit einem klassischen Magazinbeitrag aufzubereiten, sondern verschiedene journalistische Formen zu kombinieren, damit unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen, an sich lobenswert – tatsächlich hat die betagte Kultursendung so an Frische und Lebendigkeit gewonnen.

Gefahr droht von der Unterhaltungsabteilung

Das neue Buch des Politikwissenschaftlers Hamed Abdel-Samad wird denn gleich dreifach aufgeblättert: Nach dem Einstieg mit einem Porträt des Autors kann der Islamkritiker im Interview mit Katty Salié selbst seine Grundgedanken skizzieren – und sie außerdem noch mit dem Dirigenten Daniel Barenboim, bekannt als Brückenbauer zwischen den Religionen, erörtern, der nach einer Weile zu dem Gespräch hinzukommt. So macht man das heute eben – Häppchen-Journalismus ist medialer Zeitgeist. Doch ob auf diese Weise die ebenfalls von Fiedler angestrebte Vertiefung der Themen gelingt, erscheint fraglich – viele kleine Portionen sättigen eben oft nicht so nachhaltig wie ein Hauptgericht.

Deutlich mehr Gewicht erhalten die Moderatoren: Durch ihre neue Rolle als Interviewer und Reporter können sie sich stärker als bisher profilieren, auch das dürfte jüngeren Zuschauern gefallen. Der kesse Jo Schück etwa darf schon mal nach Island reisen, wo ein wortkarger Fotograf das Nordlicht in ästhetisch faszinierenden Bildern festhält. Ein andermal besucht er den Shootingstar des jungen Fernsehens: den Grimmepreis-geschmückten Moderator Jan Böhmermann. Auch wenn der dem linearen Fernsehen eine Absage erteilt, setzt das „Aspekte“-Team auf diesen Verbreitungsweg und hofft weiter auf wachsende Zuschauerzahlen. Allerdings könnte es sein, dass die nur halbwegs geglückt aufgefrischte Sendung von anderer Seite ein Bein gestellt bekommt: Laut einem „Spiegel“-Bericht schielt die Unterhaltungsabteilung des ZDF nach dem „Aspekte“-Sendeplatz im Anschluss an die erfolgreiche „heute-show“ – um dort ein stärkere Anschlussquoten versprechendes Humorformat zu platzieren.

ZDF,
freitags, 23.00