Ein seltenes Himmelsereignis ist am Morgen des 6. Juni zu sehen: Bei Sonnenaufgang schiebt sich die Venus vor die Sonne. Den Venustransit kann man mit bloßem Auge – aber nur mit Spezialfilter – verfolgen.

Stuttgart - Das Ereignis wird sich nicht wiederholen, nicht in Ihrem Leben. Überlegen Sie sich deshalb gut, was Sie am frühen Morgen des 6. Juni vorhaben. Um 5.21 Uhr wird die Sonne aufgehen, aber sie wird etwas anders aussehen als sonst. Über ihre Oberfläche wird eine Laus krabbeln, eine winzige schwarze Scheibe, die sich dem Rand der Sonnenscheibe nähern wird. Zwischen 6.37 und 6.38 Uhr wird sie den Rand der Sonne von innen berühren, um 6.55 Uhr wird sie die Sonnenscheibe vollständig verlassen haben. Danach wird es 105 Jahre dauern, bis unser Nachbarplanet Venus wieder genau zwischen Erde und Sonne hindurchzieht.

 

Zum letzten Mal hat die Venus sich am 8. Juni 2004 so spektakulär gezeigt. Heute wie damals bieten viele Sternwarten einen Blick auf das Naturschauspiel an. Und heute wie vor acht Jahren kann man nicht deutlich genug darauf hinweisen, dass das Ereignis – genau wie eine Sonnenfinsternis – auf keinen Fall ohne den eigens dafür entwickelten Augenschutz beobachtet werden darf (siehe Infos am Textende).

Auch wissenschaftliche Observatorien werden ihre Instrumente auf die Sonne richten und einen der seltenen Venustransits beobachtet. Es wird erst der siebte sein, der historisch nachgewiesen beobachtet wird. Denn die Venus schiebt sich nicht oft zwischen Erde und Sonne. Ihre Umlaufbahn ist gegen die der Erde geneigt, außerdem sind die Umlaufzeiten sehr unterschiedlich, so dass es immer 243 Erdenjahre dauert, bis etwa die gleiche Konstellation wieder erreicht ist. In diesem Zeitraum folgen zweimal zwei Venustransits im Abstand von rund acht Jahren aufeinander. Der Abstand zwischen den Doppelschlägen beträgt einmal 105,5 Jahre und dann wieder 121,5 Jahre.

Üben für die Planetensuche

Seit der ersten nachgewiesenen Beobachtung im Jahre 1639 hat sich das wissenschaftliche Interesse stark verändert. Manche Frage ist beantwortet, neue sind hinzugekommen. Allein das Nationale Sonnenobservatorium (NSO) der USA will das Ereignis mit Teleskopen in Arizona, New Mexico, Kalifornien, Hawaii, Australien und Indien verfolgen. Solche Transits seien für die Wissenschaft immer noch nützlich, sagt Frank Hill vom NSO. Der Venustransit dieses Jahres werde helfen, verschiedene Instrumente zu eichen, und das werde bei der Suche nach Planeten anderer Sonnen helfen, die eine Atmosphäre haben.

Den Grundstein zu dieser Forschung hat schon im Jahre 1761 der russische Wissenschaftler Michail Lomonossow gelegt. Während er beobachtete, wie die Venus langsam von der Sonnenscheibe verschwand, entdeckte er einen hellen Ring um das dunkle Planetenscheibchen. Er schloss daraus richtig, dass die Venus eine Atmosphäre haben müsse. Heute ist die dichte Kohlendioxidatmosphäre der Venus gut bekannt und untersucht. Die Astronomen wissen also, was sie sehen werden, wenn das Sonnenlicht durch diese Atmosphäre in ihre Teleskope und Analyseinstrumente fällt. Deshalb können Einflüsse von Stürmen in der Venusatmosphäre und optische Verzerrungen mit hoher Genauigkeit ermittelt werden. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie diese Messungen dann als Vorlage nehmen können, wenn sie die Atmosphäre ferner Planeten analysieren, die um andere Sonnen kreisen. Das NSO hat angekündigt, seine Beobachtungsdaten im Internet zur Verfügung zu stellen.

Johannes Keplers ungenaue Vorhersage

Schon in früheren Jahrhunderten haben sich Wissenschaftler auf die Venustransits gestürzt – zum Teil unter dramatischen Umständen. Im Jahre 1627, vier Jahre vor einem Transit, hatte Johannes Kepler die Planetenbahnen berechnet. Er kam zu dem Schluss, dass es 1631 einen Transit geben müsse. Dass acht Jahre danach ein weiterer folgen würde, war seinen Berechnungen nicht zu entnehmen. Dazu waren sie zu ungenau. Kepler starb 1630.

Ein Jahr nach seinem Tod machte der französische Theologe und Philosoph Pierre Gassendi einen Versuch, den Venustransit zu sehen. Es gelang ihm aber nicht. 1639 erwartete niemand einen Transit – außer dem jungen britischen Astronomen Jeremiah Horrocks, der Fehler in Keplers Berechnungen gefunden hatte. Er und sein Freund William Crabtree waren am 4. Dezember 1639 die ersten und damals vermutlich einzigen Menschen, die einen Venustransit gesehen haben.

Die Entfernung zur Sonne wird vermessen

Den großen Ansturm der Wissenschaftler auf den nächsten Venustransit im Jahre 1761 löste der berühmte britische Astronom Edmond Halley aus. Halley hatte eine Lösung für ein Problem der damaligen Astronomen gefunden: Mit den Formeln von Johannes Kepler konnte man zwar die Bahnen der Planeten relativ zueinander berechnen. Man wusste also, um wie viel weiter weg von der Sonne die Erde ist als die Venus. Doch die absolute Entfernung zwischen Erde und Sonne kannte man nicht. Halley kam auf die Idee, den Venustransit von 1761 von verschiedenen Orten der Erde aus zu beobachten. So wie der Mensch mit jedem seiner zwei Augen ein leicht unterschiedliches Bild seiner Umgebung wahrnimmt und deshalb Entfernungen bestimmen kann, sollte, so Halley, der Venustransit genutzt werden, die Entfernung der Sonne von der Erde zu messen. 1716 veröffentlichte er einen Appell, den er selbst nicht befolgen konnte. Er starb 1742 im hohen Alter von 86 Jahren.

Ein Phänomen namens schwarzer Tropfen

Die nächsten vier Transits von 1761, 1769, 1874 und 1882 waren Messungen der Entfernung von Erde und Sonne in aller Welt gewidmet – obwohl man im 19. Jahrhundert dafür auch schon andere Methoden kannte. 1761 scheiterten die Forscher am Phänomen des sogenannten schwarzen Tropfens: die Venusscheibe verzerrte sich in den Fernrohren zu einem Tropfen, wenn sie die Sonnenscheibe verließ, was die verblüfften Astronomen kalt erwischte und ihre Messungen ungenau machte. Erst heute weiß man, dass die Ursachen in der optischen Qualität der Instrumente und Störungen in der Erdatmosphäre liegen.

Der berühmteste Transitbeobachter des Jahres 1769 war James Cook. Sein Beobachtungsplatz auf Tahiti heißt bis heute Point Venus. Zum persönlichen Drama wurde die Mission für den französischen Astronomen Guillaume Le Gentil. Sein Versuch, den Transit von 1761 in der französischen Besitzung Pondicherry in Indien zu beobachten, scheiterte, weil gerade Krieg war und die Engländer die Stadt kurz vor seiner Ankunft einnahmen. Die Stadt fiel bald wieder zurück an die Franzosen. Le Gentil blieb bis 1769, doch am 3. Juni, dem Tag des Transits, bedeckten Wolken den Himmel. Mehr als elf Jahre nach seiner Abreise traf er unverrichteter Dinge wieder in Paris ein. Seine Erben hatten ihn inzwischen für tot erklären lassen und seinen Nachlass unter sich aufgeteilt.

Beobachten niemals ohne Spezialfilter!

Augenschutz
Das Licht der Sonne ist auch am frühen Morgen so hell, dass man auf keinen Fall direkt hineinsehen darf. Eine Beobachtung ohne Augenschutz oder mit Ferngläsern oder Fernrohren ohne Filter kann zu schweren Augenschäden und bis zur Erblindung führen. Eine Sonnenfinsternisbrille – keine normale Sonnenbrille! – ist dringend notwendig. Sternwarten rüsten ihre Teleskope mit Filtern aus oder bereiten eine Projektion der Sonne auf einen Beobachtungsschirm vor.

Termine
In Stuttgart und Umgebung bieten zwei Sternwarten Gelegenheit zur Beobachtung, nämlich die Schwäbische Sternwarte Stuttgart auf der Uhlandshöhe und die mit dem Planetarium verbundene Sternwarte Welzheim. In Welzheim trifft man sich um 5.20 Uhr, in Stuttgart um 5.30 Uhr. Die Sternwarte der Universität in Vaihingen bleibt geschlossen, weil von dort aus der Sonnenaufgang nicht zu sehen ist.

Informationen
Zahlreiche Internetseiten informieren über den Venustransit. In deutscher Sprache stechen http://venustransit.de und http://venus-transit.de mit einer Fülle astronomischer und historischer Informationen heraus. Wer englisch lesen kann, findet nahezu unerschöpflichen Lesestoff mit grafischen Übersichten unter http://transitofvenus.nl . Weitere Angebote finden Suchmaschinen unter den Stichwörtern „venustransit“ und „transitofvenus“.