Im vergangenen Jahr ist der Komet Siding Spring erstmals gesichtet worden. Am Wochenende passiert er den Roten Planeten in einer Entfernung von nur etwa 100.000 Kilometern. Sein Schweif könnte die Atmosphäre streifen und Raumsonden beschädigen.

Stuttgart - Es könne eine „mitreißende Show auf dem Mars“ werden, kündigt die US-Raumfahrtbehörde Nasa an. Am 19. Oktober wird ein Komet, der noch nie in Sonnennähe gesichtet worden ist, empfindlich nahe am Mars vorbei und wieder hinaus in die Fernen des Sonnensystems schießen. Empfindlich nahe heißt in diesem Fall: Der Komet wird dem Mars auf ungefähr 132 000 Kilometer nahe kommen. Das ist ein Drittel der Entfernung zwischen Erde und Mond. Seit Menschengedenken ist der Erde noch nie ein Komet so nah gekommen; alle bisher identifizierten hätten mindestens den zehnfachen Abstand gehalten, heißt es bei der Nasa.

 

Würde der Komet sich nicht dem Mars, sondern der Erde derart nähern, wäre die Freude wohl gedämpft. Die Menschheit hätte Monate des Zitterns hinter sich. Denn nach ersten Bahnmessungen hätte der vermutlich 50 Kilometer dicke Brocken den Mars auch treffen können – mit einer Geschwindigkeit von 56 Kilometern pro Sekunde. C/2013 A1 Siding Spring, wie der Komet offiziell heißt, ist am 3. Januar 2013 zum ersten Mal in einem Teleskop der australischen Sternwarte Siding Spring beobachtet worden; erst später erkannte man ihn auch auf älteren Himmelsaufnahmen. Sofort begann die Vermessung seiner Bahn. Doch erst in den Monaten danach wurde ein Treffer auf dem Roten Planeten immer unwahrscheinlicher.

Nun passiert der Gast aus den Tiefen des Sonnensystems unseren Nachbarplaneten zu einem idealen Zeitpunkt. Denn noch nie war am Mars so ein Getümmel von irdischen Beobachtungsinstrumenten. Erst vor wenigen Wochen ist die Nasa-Raumsonde Maven eingetroffen; ebenso ein indischer Marsorbiter. Veteranen in der Umlaufbahn sind die Nasa-Sonden Mars Odyssey (seit 2001) und Mars Reconnaissance Orbiter (2005) sowie der europäische Mars Express (2003). Auf der Marsoberfläche aktiv sind die Roboter Opportunity (2004) und Curiosity (2012).

Die Raumsonden bringen sich in Sicherheit

Wissenschaftler wie Markus Fränz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen rechnen damit, dass der Mars in die Staubfahnen der Koma geraten wird. „Wir erwarten, dass sich der Kometenschweif und die Marsatmosphäre zum Teil vermischen werden“, sagt der Wissenschaftler, dessen Institut an der Sonde Mars Express beteiligt ist. Fränz und seine Kollegen erhoffen sich von dem Vorbeiflug neue Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems. Siding Spring gehört nämlich zu den Kometen, die aus der Oortschen Wolke am Rande des Sonnensystems zu uns kommen. Die Materie dort draußen ist nahezu unverändert seit der Entstehung des Planetensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren erhalten geblieben.

Doch die Freude der Forscher auf nie da gewesene Messdaten und Fotos wird getrübt durch die Sorge, ihre Sonden könnten von Partikeln aus der Koma getroffen werden. Die Nasa kalkuliert mit einigen Prozent Wahrscheinlichkeit, dass Marssonden im Verlauf von fünf Jahren durch herumfliegende kleine Partikel, Meteoriden genannt, schwer beschädigt werden. Ob der Komet dieses Risiko innerhalb der wenigen Stunden deutlich erhöht, in denen er den Mars mit seiner Koma überzieht, hängt davon ab, wie aktiv er bis dahin wird – wie viel Staub und Gas er also ausstößt.

Vorsichtshalber will die Nasa für ihre Sonden, vor allem den nagelneuen Maven, Vorsorge treffen: Die Orbiter sollen sich während des Vorbeiflugs von Siding Spring auf der anderen Seite des Planeten aufhalten. Die beiden Roboter am Boden seien nicht in Gefahr, heißt es bei der Nasa. Die Atmosphäre schütze sie. Das Max-Planck-Institut sieht das Risiko für Mars Express gelassen. Ihr Bordinstrument Aspera-3 gehöre, wie die ganze Sonde, zu den betagteren Instrumenten. Es seien „nicht zu strenge Sicherheitsvorkehrungen“ vorgesehen. Fränz ergänzt: „Aspera-3 wird während des gesamten Vorbeiflugs aktiv sein.“

Der Vorbeiflug von Siding Spring wird laut Nasa mit bloßem Auge von der Erde aus nicht zu sehen sein. Auf der Südhalbkugel wird der Komet inTeleskopen und starken Ferngläsern zu erkennen sein.