Im Stuttgarter Planetarium berichtete der Forscher Klaus Seidensticker über seine Erfahrungen mit der Landeeinheit Philae. Diese war im November auf dem Kometen Tschuri niedergegangen.

Stuttgart - Als die europäische Raumsonde Rosetta im vergangenen November die kleine Landeeinheit Philae erfolgreich abgekoppelt hat und diese mit einem hörbaren Rumms auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko – liebevoll kurz Tschuri genannt – aufsetzte, da war der Jubel groß. Doch die ungetrübte Freude im Darmstädter Kontrollzentrum der europäischen Weltraumagentur Esa war auch schnell wieder vorbei. Das berichtete jetzt Klaus Seidensticker vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf Einladung des Vereins schwäbische Sternwarte im voll besetzten Keplersaal des Stuttgarter Planetariums.

 

„Alles sah zwar gut aus, aber doch auch ziemlich merkwürdig“, erinnert sich Seidensticker, der das Philae-Messprogramm Sesame (Surface Electric Sounding and Acoustic Monitoring Experiment) koordiniert. Sesame besteht aus drei Teilen: Casse (Cometary Acoustic Surface Sounding Experiment) sollte ermitteln, wie sich Schall im Boden ausbreitet und so dessen Beschaffenheit erkunden. Dim (Dust Impact Monitor) sollte Staubteilchen analysieren – fand aber nur ein einziges, und das drei Kilometer vom Kometen entfernt. Und PP (Permitivity Probe) sollte den Boden mit elektrischen Impulsen sondieren.

„Landeunfreundliche“ Umgebung

Wie die Forscher bald herausfanden, ist Philae etwas unglücklich an einer Stelle gelandet, an der die Sonde wenig Licht erhält. Und deshalb hat sie auch nicht genug Energie zur Verfügung, um weiter ihre Umgebung zu erforschen. „Letztlich erwies sich eben alles als relativ landeunfreundlich“, sagt Seidensticker. Dabei klingt auch Kritik an den Entscheidungsabläufen an: „Wenn man zum Mars fliegt, sucht man sich in aller Ruhe einen geeigneten Platz aus. Wir mussten uns binnen weniger Tage entscheiden.“ Seidensticker lässt durchblicken, dass die Abstimmung mit der europäischen Raumfahrtagentur nicht immer so verlaufen ist, wie sich die Forscher das gewünscht hätten.

Die Rosetta-Mission hat einen großen Teil des Berufslebens vieler beteiligter Forscher bestimmt. Mit den ersten Überlegungen habe man 1985 begonnen. Man träumte von einer Mission, die Proben zurückbringen sollte. Das sei aber aus Kostengründen schnell verworfen worden. Der Start war zunächst für 2003 vorgesehen, damals hatte man auch noch einen anderen Kometen namens 46P/Wirtanen im Visier. Doch nachdem eine Ariane-Rakete explodiert war, verzögerte sich auch der Abflug von Rosetta. Deshalb musste ein neuer Zielkomet gesucht werden: Die Wahl fiel auf den 1969 entdeckten Kometen Tschuri.

Mühsame Arbeitsentfernung

Um zu verdeutlichen, wie weit die Vorbereitungen zurückreichten, zeigt Seidensticker Fotos von Bauteilen, auf denen er das Datum 11. September 2001 notiert hat. „Und nun steht das Ding da oben“, sagt er und deutet auf die Aufnahmen, die Philae und Rosetta von der „berühmten Ente“ gemacht haben. Auf die Frage, was die Forscher denn in den zehn Jahren zwischen Start und Landung auf dem Kometen zu tun gehabt hätten, sagt Seidensticker: „Wir schrieben jede Menge Operation requests“. Anhand der Tabellen mit Befehlen zeigt er, wie mühsam es ist, wenn sich das Arbeitsgerät Millionen von Kilometern von der Erde entfernt befindet.

Trotz allem ist Seidensticker zufrieden. Die meisten Instrumente an Bord von Philae haben funktioniert. Nur zwei fielen ganz aus, sechs weitere funktionierten teilweise. „Die Instrumente liefern einmalige Daten von Aufbau und Beschaffenheit des Kometen“, bilanziert er. „Wir waren weitgehend erfolgreich“. Die wichtigste Frage sei nun, ob es noch eine Chance auf eine Langzeituntersuchung gebe. Seidensticker zeigt sich zuversichtlich: „Die Lage verbessert sich mit jedem Tag.“ Mitte März soll Philae angefunkt werden. Damit will man testen, ob die Energie bereits wieder ausreicht. Dann wird sich zeigen, ob die Bordelektronik Schaden durch die Kälte im Schatten genommen hat.

Das größte Problem aus Seidenstickers Sicht ist aber ein anderes: Die Esa habe den Lander bereits so gut wie abgeschrieben, sagt er. Man konzentriere sich bei der europäischen Weltraumagentur inzwischen ausschließlich auf den Betrieb des Orbiter. Dabei sei man nicht einmal bereit gewesen, den niedrigen Überflug über Rosetta vor wenigen Tagen bei Philae vorbei zu lenken. Das hätte er sich anders gewünscht.