Seit einem Jahr beobachtet das Nasa-Weltraumteleskop IRIS die Sonne. Nun stellen die Forscher ihre ersten Ergebnisse vor. Sie wollen solare Eruptionen besser verstehen, die den Datenverkehr und die Stromnetze auf der Erde stören können.

Stuttgart - Es brodelt gewaltig in der Atmosphäre rund um die Sonne. Aus kleinen Taschen mit unvorstellbar hohen Temperaturen explodiert heiße Materie in die Umgebung. Andernorts bilden sich Superzellen, an deren Rändern Material in den Weltraum schießt und dort vermutlich den Sonnenwind antreibt. Verdrillte Magnetfelder heizen die dünne Atmosphäre der Sonne gewaltig auf und erzeugen große Mengen der für das Leben auf der Erde gefährlichen ultravioletten Strahlung.

 

Wissenschaftler wollen genauer verstehen, was dort vor sich geht, denn Sonneneruptionen können Stromnetze und Datenübertragung auf der Erde empfindlich stören, und die Sonnenaktivität beeinflusst sogar das Klima. Das 2013 gestartete Nasa-Weltraumteleskop IRIS bietet nun Einblicke in die Atmosphäre der Sonne. Astrophysiker wie Hardi Peter vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und etliche seiner Kollegen aus aller Welt präsentieren die ersten Ergebnisse jetzt in gleich fünf Artikeln im Wissenschaftsmagazin „Science“.

Die Grundzüge sind den Forschern schon lange bekannt: Die Sonne ist ein Fusionsreaktor, der in seinem Kern Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verschmilzt. Die dabei frei werdende Energie quetscht sich als Wärmestrahlung durch die sehr dichte Materie sehr langsam nach außen. Erst auf dem letzten Drittel des rund 700 000 Kilometer langen Wegs an die Oberfläche tragen dann Strömungen aus Wasserstoff und Helium diese Energie weiter nach außen. „Das funktioniert ähnlich wie die Strömungen, die in einem Kochtopf die Energie von der Herdplatte im Wasser verteilen“, erklärt Hardi Peter.

Auf der Oberfläche der Sonne ist es überraschend kühl

Auf diesem langen Weg ist die Materie erheblich abgekühlt, an der Oberfläche der Sonne messen Astrophysiker gerade noch 5500 Grad Celsius. Nach den Gesetzen der Physik strahlt die Materie bei dieser Temperatur Licht ab, das hauptsächlich grüngelb ist. Andere Farben sind schwächer, UV-Licht kommt von der Sonnenoberfläche praktisch gar nicht. Dieser Teil des Sonnenlichts muss also in der oberen Atmosphäre der Sonne entstehen.

Tatsächlich aber kühlt die Atmosphäre über dem Stern erst einmal weiter bis auf rund 4500 Grad Celsius ab. Die Schicht zwischen der Oberfläche und dieser Temperaturgrenze nennen Astrophysiker Fotosphäre. In ihr wird die Materie immer dünner. Die Schwingungen der aus dem Inneren der Sonne kommenden Schallwellen werden daher immer größer. „Ähnliches passiert in einer Wasserwelle, die umso steiler aufläuft, je flacher das Wasser am Strand wird“, erklärt Max-Planck-Forscher Hardi Peter. Vor der Küste bricht die Welle, und auch die Wellen aus der Sonne verlieren in der Nähe der 4500-Grad-Grenze ihre Ordnung. Die ungeordnete Bewegung solcher Gasteilchen aber ist nichts anderes als Wärme – die Sonnenatmosphäre wird also weiter oben wieder heißer.

Allerdings liefern die brechenden Wellen nur einen Teil der Hitze, die sich bis zu den äußeren Bereichen der Sonnenatmosphäre, der Korona, auf mehr als eine Million Grad steigert. Der große Rest dieses Aufheizens geht auf das Konto von Magnetfeldern. „Diese verdrillen sich und erzeugen dabei nach einem ähnlichen Prinzip wie im Dynamo eines Fahrrads elektrische Ströme, die ihrerseits Wärme liefern“, fasst Hardi Peter den Mechanismus zusammen.

Im Grundsatz sind diese Vorgänge bekannt, wichtige Details aber verstehen Sonnenphysiker noch nicht. Je mehr Flecken mit niedrigerer Temperatur die Astronomen zum Beispiel auf der Oberfläche der Sonne sehen, desto stärker ist das globale Magnetfeld der Sonne. Die Zahl der Sonnenflecken und damit auch das globale Magnetfeld wiederum schwanken normalerweise in einem Rhythmus von elf Jahren. Manchmal gibt es kaum Sonnenflecken, fünf oder sechs Jahre danach sind es auffällig viele. Diese Sonnenfleckenzyklen blieben zwischen 1645 und 1715 jedoch aus. In dieser Zeit fehlten nicht nur die Flecken, sondern strahlte die Sonne auch weniger Energie ab. Das reichte, um in Europa die kleine Eiszeit mit deutlich zurückgehenden Temperaturen auszulösen.

Die Sonnenflecken sind noch nicht richtig verstanden

Die Magnetfelder aber, die heutzutage mit der Sonnenfleckenzahl eng gekoppelt scheinen, schwankten zwischen 1645 und 1715 in ihrem normalen Rhythmus weiter. Was ging damals in der Sonnenatmosphäre vor? Diese Frage treibt auch Klimaforscher um, da sich solche Ausfälle der Sonnenflecken so möglicherweise alle 300 bis 500 Jahre zu wiederholen scheinen.

Das Weltraumteleskop IRIS analysiert nun die ultraviolette Strahlung, die in der Sonnenatmosphäre entsteht. „Damit entdecken wir Details, die wir vorher einfach nicht sehen konnten“, berichtet Hardi Peter. So ist die Dichte der Fotosphäre noch relativ hoch und dämpft die Temperaturschwankungen dort – zumindest dachten die Forscher das bisher. Mit IRIS aber entdeckt Hardi Peter in den Regionen mit Sonnenfleckenaktivität relativ kleine Gebiete mit einem Durchmesser von 500 bis 700 Kilometern, die fast 20-mal heißer als ihre Umgebung sind. „Dort könnte das Magnetfeld in einer Art Schlaufe nach unten gedrückt sein“, vermutet der Astrophysiker. Von der Seite strömt dann Material in dieses tiefe Loch, drückt die Magnetfeldlinien zusammen, erzeugt so kräftige elektrische Ströme, die den Wasserstoff und das Helium dort aufheizen.

Kollegen von Hardi Peter haben mit IRIS weitere, nie zuvor beobachtete Vorgänge in der Sonnenatmosphäre gefunden. Am Rande von Superzellen mit einem Durchmesser von 20 000 Kilometern sehen sie kleine Bögen, an deren Spitze die Atmosphäre stark aufgeheizt und als kräftiger Strahl weggeschleudert wird. Dort könnte also einer der Ursprünge eines Sonnenwind genannten Stroms elektrisch geladener Teilchen liegen, der von der Sonne in den Weltraum weht. Andere Forscher wiederum finden Hinweise auf verdrillte Magnetfelder und damit auf die wichtige Heizung in der Sonnenatmosphäre.

Das Weltraumteleskop IRIS

Spezialisierung
Das seit Juni 2013 in einer Umlaufbahn um die Erde kreisende Teleskop IRIS ist nicht das erste Observatorium im Weltraum, das die Sonne ins Visier nimmt. Anders als seine Vorgänger aber ist der 200 Kilogramm schwere Satellit spezialisiert und beobachtet vor allem Temperaturen zwischen 6000 und rund 200.000 Grad. Diese Bedingungen herrschen in einer Region in der Atmosphäre der Sonne zwischen Korona und Fotosphäre. In dieser Zwischenregion entsteht das UV-Licht.

UV-Strahlung
Das UV-Licht beeinflusst auf der Erde die Ozonschicht. Diese wiederum schützt die Oberfläche des Planeten vor der gefährlichen kurzwelligen Strahlung und beeinflusst gleichzeitig die Temperaturen in den höheren Luftschichten stark. Das UV-Licht wird von den höheren Schichten der Erdatmosphäre fast vollständig verschluckt. Nur Instrumente außerhalb der Erdatmosphäre können es gut beobachten. IRIS tut das mit einem Teleskop mit 20 Zentimeter Durchmesser.