Verwaltungsgerichte korrigieren Asylentscheider: Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien sollten nicht nur subsidiären Schutz erhalten - sagen die Gerichte. Es kommt Bewegung in die Fälle.

Mainz - Während der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte Latif ein gutes Gefühl. Der Beamte sprach mit dem 21 Jahre alten Asylbewerber eingehend über die schwierige Situation in Damaskus, zehn Monate nach seiner Ankunft in Deutschland. Umso mehr war der in der Pfalz lebende Syrer von seinem Bescheid enttäuscht: Er erhielt nur subsidiären Schutz, verbunden mit einer Aufenthaltsberechtigung von einem Jahr - statt drei Jahren bei vollem Flüchtlingsstatus.

 

So geht es in diesem Jahr vielen syrischen Flüchtlingen, nachdem das BAMF zu mündlichen Anhörungen zurückgekehrt ist. In den ersten 8 Monaten erhielten bundesweit noch 70,6 Prozent die volle Anerkennung, in Rheinland-Pfalz waren es nur 57,1 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Entscheidungen mit subsidiärem Status allein in Rheinland-Pfalz von 0,3 Prozent im vergangenen Jahr auf 41,0 Prozent gestiegen. Ähnlich ist die Entwicklung auch bei Entscheidungen zu Geflüchteten aus Äthiopien, Somalia und Eritrea.

Nach dem ersten Kummer sagte Latif sich: „Besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach“ - dieses Sprichwort hat er sich beim Deutsch-Lernen mit Hilfe eines YouTube-Kurses angeeignet. Dann aber wandte er sich an einen Anwalt, legte Klage beim Verwaltungsgericht Trier ein und bekam Recht.

Das Gericht, so heißt es in dem Urteil, gehe davon aus, dass dem Kläger im Fall einer Rückkehr „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht“. Er müsse mit seiner Festnahme rechnen, auch die Gefahr von Folter drohe. Deshalb werde das BAMF verpflichtet, dem Kläger die volle Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Dieser Linie folgend hat das Verwaltungsgericht Trier bereits viele Urteile gesprochen. Bis Mitte September sind bei dem Gericht 4680 Asylklagen eingegangen - mehr als drei mal so viel wie im gleichen Zeitraum 2015 (1118). In 43 Prozent dieser Asylhauptsacheverfahren handelte es sich um Klagen von Syrern, die ihren Status von „subsidiär“ auf die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft verbessern wollten. Das Verwaltungsgericht Trier arbeitet zügig: Vom Eingang bis zur Entscheidung benötigt es im Schnitt nur 2 Monate - bundesweit sind es 8,6 Monate.

Seit diesem Jahr wieder eine persönliche Anhörung

„Wer illegal ausgereist ist und einen Asylantrag in Ausland gestellt hat, ist potenziell, aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, bei einer Rückkehr auch unter Folter befragt zu werden“, sagt der Präsident des Verwaltungsgerichts Trier, Georg Schmidt. „Das ist unsere Linie, die von einer Vielzahl von anderen Verwaltungsgerichten in erster Instanz geteilt wird.“ Zu den Urteilen der Trierer Verwaltungsrichter hat das BAMF Berufung eingelegt - am Oberverwaltungsgericht Koblenz steht nun die Entscheidung an, ob die Trierer Urteile bestätigt oder aufgehoben werden. Wann diese Entscheidung getroffen werde, sei derzeit nicht absehbar, sagte ein Sprecher.

Von November 2014 bis Ende 2015 entschied das BAMF bei syrischen Flüchtlingen nach Darlegung der Fluchtgründe in einem Fragebogen. Seit diesem Jahr nun wird wieder mit einer persönlichen Anhörung geprüft. Dabei habe die Behörde bei syrischen Antragstellern beobachtet, dass „vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, aber kein individuelles Verfolgungsschicksal vorliegt“, erklärte eine Sprecherin. Dies führe dann nach dem geltenden Recht nicht zu Asyl oder Flüchtlingsschutz, sondern zum subsidiären Schutz.

„Ich beobachte diese Entwicklung mit großer Sorge, da die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Vergleich mit dem Flüchtlingsstatus mit zum Teil gravierenden Nachteilen verbunden ist“, sagt die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne). So sei etwa der Familiennachzug für die ersten zwei Jahre ausgesetzt. Auch, wenn die Aufenthaltsberechtigung unter Umständen um zwei Jahre verlängert werden könne, verschlechtere der subsidiäre Schutz die Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen: „Wer investiert schon in eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, wenn nicht klar ist, ob sie oder er länger als ein Jahr bleiben darf?“