Im Stadtbezirk Süd leben derzeit rund 340 Asylbewerber. Seit September hat der Süden eine dritte Unterkunft in der Böblinger Straße 18. Auch dort leben bereits jetzt 165 Menschen aus aller Herren Länder. Die Fraktionen wünschen sich daher eine bessere Integrationsarbeit.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Sie kommen aus Eritrea, Bosnien, Mazedonien, Nigeria und natürlich auch Syrien und Somalia. Sie sprechen verschiedene Sprachen, haben völlig unterschiedliche Kulturen, dennoch wohnen sie nun alle unter einem Dach. Seit September befindet sich an der Böblinger Straße 18 eine neue Flüchtlingsunterkunft. Rund 165 Personen leben derzeit in dem fünfgeschossigen Haus. Dass es da nicht immer unkompliziert zugeht und Anfangsschwierigkeiten gibt, ist klar.

 

In der Böblinger Straße ist alles noch im Aufbau

Die zu lösen ist die Aufgabe der Sozialarbeiterinnen Patrycja Przybilla und Katja Demel von der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva). Sie sind in der Unterkunft, gemeinsam mit der Hausleitung, für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig. Unterstützt werden sie dabei vom Freundeskreis Asyl Stuttgart-Süd. Anders würde dies auch gar nicht gehen, denn auf eine Sozialarbeiterstelle kommen 136 Flüchtlinge. Przybilla und Demel sind zeitgleich auch für die Unterkunft an der Forststraße im Stuttgart Westen zuständig.

Die erste Hürde haben sie in der vergangenen Woche schon genommen. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Bewohnern, dem Freundeskreis und einigen Nachbarn fand ein erstes Kennenlernen statt. Dafür haben die Bewohner mit der Hausleitung Gerichte aus ihrer Heimat vorbereitet, erzählt Przybilla. Die nigerianischen Frauen haben Lieder gesungen, ein Mann aus Eritrea hat von den Zuständen in seiner Heimat erzählt. „Über ein gemeinsames Essen kommen die Menschen einfach viel leichter in Kontakt“, sagt Przybilla.

Momentan ist an der Böblinger Straße alles im Aufbau. Das bedeutet für die Sozialarbeiterinnen viel Arbeit: „Wir müssen erst einmal Kontakte knüpfen im Stadtteil.“ Przybilla ist froh, dass sich so schnell ein Freundeskreis für die Unterkunft gebildet hat. 20 bis 30 Ehrenamtliche aus dem Stadtteil helfen nun im Alltag. Das sind oft einfache Dinge, wie die Flüchtlinge zum Arzt oder zum Gesundheitsamt zu begleiten, mit zur Bank zu gehen oder kleine Stadtführungen. Denn die größte Hürde ist die Sprachbarriere. Die meisten Asylbewerber können, wenn überhaupt, nur etwas Englisch. Verschiedene Sprachkurse seien aber schon am Laufen, sagt Przybilla.

Mit Fahrkarten wäre den Betreuerinnen viel geholfen

Was derzeit noch fehlt, sind Kleinigkeiten, sagt die 30-jährige Sozialarbeiterin. So sind die Hälfte der Bewohner alleinstehende Männer, denen – weil sie nicht arbeiten dürfen – die Decke auf den Kopf fällt. „Sie wünschen sich oft jemanden, der mit ihnen weggeht“, weiß Przybilla. Dankbar sind Freundeskreis und Sozialarbeiterinnen vor allem über Spenden in Form von Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr. „Die können ganz unkompliziert bei uns in den Briefkasten geworfen werden“, sagt sie.

Immer mehr Menschen zieht es aus den Krisengebieten der Welt nach Deutschland, viele kommen nach Stuttgart. Derzeit rechnet die Landeshauptstadt für das kommende Jahr mit monatlich rund 150 Asylbewerbern. Nicht nur die Suche nach Unterkünften beschäftigt Verwaltung und Politiker, sondern vor Ort in den Stadtbezirken auch die Integration der Menschen. So hat der Bezirksbeirat Süd bereits einen Antrag an die Stadtverwaltung geschickt. Konkret fordern die Parteien mehr Angebote zum interkulturellen Austausch sowie Sprach- und Integrationskurse.

Bezirksbeirat Wolf-Dieter Wieland von der FDP wünscht sich vor allem, dass die Asylbewerber eine sinnvolle Tätigkeit bekommen. „Die sitzen ja bloß rum“, bemängelt er. Dabei gebe es überall viel zu tun, viele Flüchtlinge seien zudem gut ausgebildet, weiß er. „Ich sehe da die Stadt in der Verantwortung, dass die Menschen eine Aufgabe kriegen.“ Wieland engagiert sich seit Jahren für die Flüchtlinge im Süden und koordiniert die Freundeskreise mit, vor allem in der Burgstall- und in der Schickhardtstraße. Aus seiner Erfahrung leiden vor allem die jungen alleinstehenden Männer unter dem Nichtstun.

Auch der SPD-Ortsverein Stuttgart Süd-Kaltental hat in der vergangenen Woche zu einem Diskussionsabend zum Thema „Flüchtlinge in Stuttgart-Süd“ eingeladen. Bernd Kroll von der Caritas, Heimleiter in der Unterkunft Burgstallstraße, gab dabei einen Überblick über die Situation im Süden. Problematisch sieht er die enge Wohnsituation. „Manchmal leben sieben bis acht Männer in einer Wohnung“, berichtet er. Dabei kennen sich die Leute zunächst nicht und sind sich fremd. „Wir versuchen das auszugleichen, in dem wir dieselben Nationalitäten gemeinsam unterbringen“, sagt Kroll.

Noch schwieriger sei allerdings die Anschlussunterkunft. Wenn die Anträge bearbeitet sind und die Flüchtlinge in eigene Wohnungen ziehen können, scheitert es laut Kroll oft an entsprechenden privaten Angeboten. Seit 22 Jahren ist Kroll in der Flüchtlingshilfe aktiv. Aus seiner Sicht sind die Probleme der Menschen schwerwiegender geworden. Viele kämpfen aufgrund ihrer schlimmen Erlebnisse mit Alkoholproblemen oder auch posttraumatischen Belastungsstörungen. „Die speziellen psychologischen Beratungen haben aber teilweise Wartezeiten von neun Monaten“, sagt Kroll. Und ergänzt: „Wir müssen das im Haus oft selber auffangen, was häufig wirklich schwierig ist.“

Asylbewerber in Stuttgart

Königsteiner Schlüssel
Die Einteilung, wie viele Flüchtlinge pro Einwohner eine Stadt oder ein Landkreis aufnehmen muss, orientiert sich am sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser berechnet sich nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl. Für das Jahr 2015 ergeben sich damit für ganz Baden-Württemberg eine Quote von 12,86 Prozent. Entsprechend diesem Schlüssel werden die Asylbewerber dann auf die 44 Landkreise verteilt.

Zahlen
Laut dem aktuellen Flüchtlingsbericht der Landeshauptstadt vom Mai 2014 hat die Stadt im Jahr 2013 761 Flüchtlinge aufgenommen. Dies entspricht einem Zuwachs von 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bis Mai 2014 hat Stuttgart 415 Flüchtlinge aufgenommen.

Süden
Im Stadtbezirk Süd leben derzeit rund 340 Asylbewerber in drei Unterkünften (Burgstall-, Schickhardt- und Böblinger Straße).