Budenzauber mit schwacher Dramaturgie: Das Aterballetto aus Reggio Emilia stoppt auf der Suche nach sich selbst im Ludwigsburger Forum. Dabei zeigen die Tänzer eine Flut an Bewegungen.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Tanzen heißt auf Italienisch „ballare“. Doch trotz der etymologischen Verbindung hat es das Ballett, vor allem seine zeitgenössische Form, in Italien nicht leicht. Das Aterballetto ist da eine schöne Ausnahme. Durch den Choreografen Mauro Bigonzetti, lange Jahre kreativer Kopf der Kompanie aus Reggio Emilia, genießt das Ensemble auch in und um Stuttgart viel Aufmerksamkeit, schließlich ist Bigonzetti durch seine Arbeit fürs Stuttgarter Ballett und für Gauthier Dance hier sehr präsent.

 

Und so war das Forum in Ludwigsburg beim Gastspiel des Aterballetto am Donnerstag gut besucht, obwohl Bigonzetti seit 2012 eigene künstlerische Wege geht und vor wenigen Tagen aus gesundheitlichen Gründen auch seinen neuen Job als Ballettdirektor an der Scala an den Nagel gehängt hat. Das Aterballetto sucht derweil unter Christina Bozzolini mehr oder weniger verzweifelt nach einer neuen choreografischen Identität. Und daran werden leider auch die beiden relativ neuen Stücke, die der ehemalige Gauthier-Tänzer Giuseppe Spota und der Grieche Andonis Foniadakis für die 17 Tänzer schufen, nichts ändern. Das konnte man jetzt in Ludwigsburg erkennen.

Teilchenexplosionen auf der Haut

Zu viel Effekt, zu wenig Dramaturgie – das verbindet „Lego“ und „Antitesi“. Vor allem bei Giuseppe Spotas„Lego“ mag man das Manko bedauern: Sehenswert sind da allein die Projektionen, mit denen das OOOP-Studio im Hintergrund Städte aus Licht baut und im Vordergrund Tänzer mit Würfelgittern und Teilchenexplosionen bombardiert. Choreografisch gelingen Spota zwar immer wieder spannende Momente zwischen Trance und flott in den Raum schwingenden Gliedern, aber er lässt sich doch zu oft vom schönen Schein verführen. Er reiht die Tänzer einfach frontal oder entlang von Lichtdiagonalen auf – und am Ende ist die Abfolge von Gruppenszenen, Duetten und Einzelaktionen derart undurchschaubar, dass man beim Blick auf das ganz in rot gekleidete Ensemble schnell den Faden verliert.

Hektisch trotzt Foniadakis Raum, Zeit und Körpern eine Flut von Bewegungen ab, bis man „Antitesi“ wie einen Disco-Besuch unter Drogen wahrnimmt; vom Headbanging bis zum Stroboskop lässt er keinen Effekt aus. Die antithetische Kraft zieht sein Stück aus störenden Momenten vor allem akustischer Art, wenn der Choreograf mit alten barocken und neuen elektronischen Klängen auf Konfrontationskurs geht oder die Musik gleich ganz verstummen lässt. Lichteffekte rahmen den Tanz und sorgen nicht nur für zusätzliche Dynamik, sondern auch für eine fast zu leicht durchschaubare Symbolik, die männliche (Stäbe!) und weibliche (Kugel!) Leucht-Prinzipien einander gegenüber stellt. Den Tänzern des Aterballetto können diese Gegensätze nichts anhaben. Und doch wünscht man ihnen die Begegnung mit einem Choreografen, der nachhaltigere Spuren hinterlässt.