Regentage, Sonnenstunden, Schneemengen: Online-Klimaatlanten zeigen den Klimawandel. Sie suggerieren Genauigkeit, wo keine ist.

Stuttgart - Wie wird der Klimawandel in Stuttgart oder Freiburg aussehen? Wer das schon immer ganz konkret wissen wollte, hatte lange Zeit schlechte Karten. Seit Anfang August bietet nun aber der Deutsche Wetterdienst die Informationen an - im Internet.

 

Unter www.deutscher-klimaatlas.de findet man reichhaltige, auf farbigen Landkarten dargestellte Klimadaten. Der Atlas ähnelt einer Internetseite der Helmholtz-Gemeinschaft, die schon seit Februar 2010 unter www.regionaler-klimaatlas.deonline ist. Mit den beiden Atlanten soll die Klimaforschung anschaulich unters Volk gebracht werden.

Im Prinzip funktionieren die beiden Klimaatlanten gleich: Der Nutzer wählt zunächst eine Größe aus, die ihn interessiert - zum Beispiel die Zahl der heißen Tage oder der Regentage. Dann kann man die Suche auf ein bestimmtes Zeitfenster in der Zukunft bis zum Jahr 2100 eingrenzen. Ein Mausklick, und farbige Karten zeigen, wie das Klima im Detail wird. Ein Beispiel für Baden-Württemberg: Mitte des Jahrhunderts wird es mutmaßlich zwei bis acht Regentage weniger im Sommer geben als im Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990.

Es mangelt an Benutzerfreundlichkeit

Was man zu sehen bekommt, ist bei den Atlanten jedoch recht unterschiedlich. Der Helmholtz-Atlas bietet eine breite Palette meteorologischer Größen: von der Sonnenscheindauer über Sturmtage bis zur Luftfeuchte. Der Wetterdienst-Atlas begnügt sich mit wenigen Angaben zu Temperatur und Niederschlag, gibt diese aber auf Wunsch auch für die Vergangenheit an. Außerdem sind eine Reihe nützlicher Größen für Landwirte verfügbar: Sie können etwa ermitteln, wann gegen Ende des Jahrhunderts der Winterraps in Vollblüte stehen wird.

Sonderlich benutzerfreundlich ist der Atlas des Deutschen Wetterdiensts leider nicht; er wirkt noch wie eine Baustelle. Anders die Konkurrenz: Helmholtz hat alles Kauderwelsch vermieden und eine verständliche Menüführung gestrickt.

Die Daten der Klimaatlanten stammen von Computersimulationen, die mit mehreren regionalen Klimamodellen für Deutschland durchgerechnet worden sind. In die Rechnungen ging ein, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen entwickeln könnte.

Die Vorhersagen sind äußerst unsicher

Der Wetterdienst-Atlas ist bis jetzt auf ein einziges, pessimistisches Treibhausgas-Szenario beschränkt. Doch auch davon abgesehen unterscheidet sich die Datenbasis der beiden Atlanten, so dass die Prognosen teils auseinandergehen - nicht das einzige Problem.

Die Atlanten sind räumlich hochaufgelöst: Nur deshalb können sich die Nutzer ein so genaues Bild vom künftigen Klima machen. Dabei suggerieren die Karten allerdings eine zu große Präzision. In Wirklichkeit sind Vorhersagen, die Forscher über die kleinräumigen Details im Klimawandel abgeben, noch höchst unsicher. Schon die globale Temperatur lässt sich mit Klimamodellen nur ungefähr vorhersagen.

Ob die Projektionen, wie Forscher sie nennen, zutreffen werden, hängt nicht nur von der tatsächlich emittierten Menge der Treibhausgase ab, sondern auch davon, wie gut die Computermodelle Wolken, Staub und natürliche Klimaschwankungen erfasst haben, sowie von der variablen Sonnenaktivität und Vulkanausbrüchen.

Neue Klimaatlanten führen die Öffentlichkeit in die Irre

Noch schwieriger ist es, das Klima für einzelne Regionen vorherzusagen: Die Modelle müssen dazu auch natürliche regionale Klimaschwankungen nachahmen können, etwa launische Veränderungen der Luftströmungen, die das Wetter in Europa bestimmen.

In dieser Hinsicht haben Klimamodelle heute aber noch Mängel - auch deshalb, weil für regionale Vorhersagen ein grobes, den Erdball umspannendes Modell mit einem feinen, regionalen verknüpft wird, was eigene Tücken hat. Forscher wissen um diese Unsicherheit.

In den beiden deutschen Klimaatlanten kommt sie aber kaum zur Sprache. Der gute Wille, sichtbaren Nutzen aus der Klimaforschung zu ziehen, soll hier nicht infrage gestellt werden. Aber es ist schon so, dass die neuen Klimaatlanten die Öffentlichkeit ein wenig in die Irre führen. Bei Planungen sollte man sich daher nicht nur auf die bunten Karten verlassen.

Fazit

Der Klimaatlas der Helmholtz-Gesellschaft kann als zweckmäßig eingeordnet werden, der des Deutschen Wetterdienstes ist mehr ein netter Versuch.