Auf dem Energiegipfel will die Kanzlerin mit den Länderchefs über den Atomausstieg beraten.

Berlin - Unmittelbar vor dem Energiegipfel im Kanzleramt verschärft sich der Streit über die Kosten für den Umbau der deutschen Stromversorgung. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schätzt, dass ein schneller Atomausstieg und der Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr kosten. Am Nachmittag berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin mit den 16 Ministerpräsidenten über die beschleunigte Energiewende.

 

Angaben der „Süddeutschen Zeitung“, die Energiewende koste drei Milliarden Euro pro Jahr, wies Brüderle als „spekulativ“ zurück. Unklar ist bisher, wie der milliardenschwere Umbau insgesamt finanziert werden soll. Bisher zahlen die Verbraucher über den Strompreis den Ausbau etwa von Solar- und Windenergie.

Beck zweifelt an Redlichkeit der Regierung

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezweifelte, dass Merkel ernsthaft an einer Einigung mit Ländern und Opposition interessiert ist. „Ich habe das Gefühl, dass immer noch getrickst wird und dass man uns nicht ehrlich einbinden will“, sagte Beck der „Berliner Zeitung“.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte am Freitag im Bundesrat, entscheidend für die Bürger seien ein schneller Atomausstieg, Versorgungssicherheit und die Stromkosten. Schwarz-Gelb habe die Interessen der Atomlobby bedient. „Sie haben ohne jede Not ein zusätzliches Restrisiko in Kauf genommen.“ Nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Regierungschefs Peter Harry Carstensen (CDU) darf es nicht dauerhaft zu Atomstrom-Importen kommen. „Risiken dürfen nicht in andere Länder verlagert werden.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) forderte die Regierung auf, so schnell wie möglich ein Gesetz für das Ende der Atomkraft vorzulegen. Die acht derzeit abgeschalteten Meiler dürften nie mehr Strom produzieren. Insgesamt sollte der alte rot-grüne Ausstieg noch beschleunigt werden: „Also das letzte Atomkraft möglichst deutlich früher als 2022 vom Netz zu nehmen.“

Der niedersächsische Regierungschef David McAllister (CDU) setzte sich für einen starken Ausbau der Windkraft ein. „Ohne den Zuwachs in der Windenergie wird der Ausstieg aus der Kernenergie auch nicht funktionieren“, sagte er in der ARD. Windparks in Nord- und Ostsee seien eine gigantische technische und finanzielle Herausforderung.

Der Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena), Stephan Kohler, warnte davor, nur auf die Kosten zu schauen. „Wenn die Bundesregierung zum Beispiel öffentliche Mittel einsetzt, um die Gebäude zu sanieren, um den Hausbesitzern einen Zuschuss zu geben, damit sie ihre Häuser wärmedämmen können (...), dann haben wir eben auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen“, sagte Kohler im Bayerischen Rundfunk.

Die Umweltorganisation Greenpeace begleitet das Spitzentreffen in Berlin mit breitem Protest. Wenige Stunden vor Beginn des „Energiegipfels“ projizierten Greenpeace-Aktivisten das Motto „Deutschland ist erneuerbar!“ als Lichtschriftzug an die Wand des Kanzleramtes. Damit forderten sie die Teilnehmer des Treffens auf, einen schnellen Atomausstieg bis 2015 zu beschließen.