Harri Hiitiö kann der Streit egal sein. Solange TVO auf dem Grundstück seiner Gemeinde baut, bekommt der Bürgermeister von Eurajoki 13 Millionen Euro Grundsteuer im Jahr. Er steckt das Geld in die Sozialhilfe, ins Gesundheitssystem, in sieben Grundschulen, eine Menge für die 6000 Einwohner der Gemeinde. „Das sind die üblichen Dinge, nur ein wenig besser als anderswo“, sagt er.

 

Anzusehen ist das dem Ort, 20 Kilometer von Olkiluoto entfernt, nicht. Er besteht hauptsächlich aus einer größeren Durchgangsstraße. Die bunten Holzhäuser erinnern an ein Feriendorf, das Rathaus ist eines der wenigen mit einem zweiten Stockwerk. Hiitiö sitzt im Erdgeschoss, hinter einem riesigen Schreibtisch, die Hände im Schoß gefaltet. Er weiß, dass er wieder einmal erklären muss, warum man in Eurajoki nichts gegen Kraftwerke und Endlager in der Nachbarschaft hat. „Wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen, haben wir zwei Möglichkeiten: Energie aus Atomkraft gewinnen oder sie aus Russland importieren“, sagt er. „Für uns ist es schwer zu akzeptieren, dass Russen über unseren Lebensstandard entscheiden sollen.“ Die Deutschen hätten damit offenbar weniger Probleme. Hiitiö ist einer von vielen Finnen, die über die deutsche Energiewende den Kopf schütteln.

20 Prozent der Energie muss importiert werden

Finnland braucht viel Energie für kalte Winter und für seine Papier- und Elektronikindustrie. Der Stromlieferant TVO gehört zu 44 Prozent den Unternehmen dieser Industrien, die restlichen Anteile halten Versorger. Die Finnen, die 2013 noch 20 Prozent ihrer Energie importieren mussten, setzen nicht nur auf Olkiluoto. In Pyhäjoki, 450 Kilometer nördlich, plant TVO-Konkurrent Fennovoima ein weiteres Atomkraftwerk. An ihm war der deutsche Energiekonzern Eon bis zur Energiewende beteiligt. 2012 übernahm ausgerechnet der russische Staatskonzern Rosatom Eons Anteile und hält nun 34 Prozent. Seit der Krim-Krise scheint das gesamte Projekt für viele Finnen jedoch infrage zu stehen.

Olkiluoto III dagegen ist unumstritten, TVO ist seit 40 Jahren in Eurajoki. In dieser Zeit ist viel passiert, sagt Bürgermeister Hiitiö: Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Trotzdem habe es in seiner Gemeinde nie viel Diskussion über die Reaktoren gegeben. Sie habe auch dem Endlager zugestimmt, um die beiden neuen Reaktoren nach Eurajoki zu holen. Um das Risiko macht Hiitiö sich keine Sorgen, er vertraut auf Stuk, die finnische Behörde für Strahlen- und Atomsicherheit, die Reaktoren und Endlager genehmigt. „Wenn Stuk sagt, es sei sicher, dann ist es sicher. Wir sind da pragmatisch.“ Wenn Stuk Onkalo als Endlager genehmigt wird, hat Eurajoki die nächsten 100 000 Jahre etwas davon. So lange soll der Atommüll im Fels lagern. Kritiker warnen, dass niemand wisse, ob nicht künftige Eiszeiten den Felsen zerstören und radioaktives Material freisetzen könnten. Oder wie man die Nachkommen der Menschen davon abhalten könne, die Tore zu Onkalo zu früh zu öffnen. Was, wenn die heutigen Zeichen für sie so unleserlich sind wie für uns ägyptische Hieroglyphen?

Alles hänge am automatischen Leitsystem, dem Gehirn des Kraftwerks, dessen Tests sich verzögern, sagt Saparanta. „Das System ist komplex, und vielleicht hat man die Arbeitsmenge unterschätzt.“ Mit „man“ meint sie Areva, dem TVO schlechte Vorbereitung vorwirft. „Die Planung muss fertig sein, bevor man anfangen kann. Aber sie war nicht fertig.“ Das wiederum bestreitet Areva und beklagt, TVO zeige „mangelhaften Willen zu kooperieren“ in der letzten Phase, in der Hersteller und Betreiber eng zusammenarbeiten sollten.

Die Gemeinde Eurajoki profitiert von den Reaktoren

Harri Hiitiö kann der Streit egal sein. Solange TVO auf dem Grundstück seiner Gemeinde baut, bekommt der Bürgermeister von Eurajoki 13 Millionen Euro Grundsteuer im Jahr. Er steckt das Geld in die Sozialhilfe, ins Gesundheitssystem, in sieben Grundschulen, eine Menge für die 6000 Einwohner der Gemeinde. „Das sind die üblichen Dinge, nur ein wenig besser als anderswo“, sagt er.

Anzusehen ist das dem Ort, 20 Kilometer von Olkiluoto entfernt, nicht. Er besteht hauptsächlich aus einer größeren Durchgangsstraße. Die bunten Holzhäuser erinnern an ein Feriendorf, das Rathaus ist eines der wenigen mit einem zweiten Stockwerk. Hiitiö sitzt im Erdgeschoss, hinter einem riesigen Schreibtisch, die Hände im Schoß gefaltet. Er weiß, dass er wieder einmal erklären muss, warum man in Eurajoki nichts gegen Kraftwerke und Endlager in der Nachbarschaft hat. „Wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen, haben wir zwei Möglichkeiten: Energie aus Atomkraft gewinnen oder sie aus Russland importieren“, sagt er. „Für uns ist es schwer zu akzeptieren, dass Russen über unseren Lebensstandard entscheiden sollen.“ Die Deutschen hätten damit offenbar weniger Probleme. Hiitiö ist einer von vielen Finnen, die über die deutsche Energiewende den Kopf schütteln.

20 Prozent der Energie muss importiert werden

Finnland braucht viel Energie für kalte Winter und für seine Papier- und Elektronikindustrie. Der Stromlieferant TVO gehört zu 44 Prozent den Unternehmen dieser Industrien, die restlichen Anteile halten Versorger. Die Finnen, die 2013 noch 20 Prozent ihrer Energie importieren mussten, setzen nicht nur auf Olkiluoto. In Pyhäjoki, 450 Kilometer nördlich, plant TVO-Konkurrent Fennovoima ein weiteres Atomkraftwerk. An ihm war der deutsche Energiekonzern Eon bis zur Energiewende beteiligt. 2012 übernahm ausgerechnet der russische Staatskonzern Rosatom Eons Anteile und hält nun 34 Prozent. Seit der Krim-Krise scheint das gesamte Projekt für viele Finnen jedoch infrage zu stehen.

Olkiluoto III dagegen ist unumstritten, TVO ist seit 40 Jahren in Eurajoki. In dieser Zeit ist viel passiert, sagt Bürgermeister Hiitiö: Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Trotzdem habe es in seiner Gemeinde nie viel Diskussion über die Reaktoren gegeben. Sie habe auch dem Endlager zugestimmt, um die beiden neuen Reaktoren nach Eurajoki zu holen. Um das Risiko macht Hiitiö sich keine Sorgen, er vertraut auf Stuk, die finnische Behörde für Strahlen- und Atomsicherheit, die Reaktoren und Endlager genehmigt. „Wenn Stuk sagt, es sei sicher, dann ist es sicher. Wir sind da pragmatisch.“ Wenn Stuk Onkalo als Endlager genehmigt wird, hat Eurajoki die nächsten 100 000 Jahre etwas davon. So lange soll der Atommüll im Fels lagern. Kritiker warnen, dass niemand wisse, ob nicht künftige Eiszeiten den Felsen zerstören und radioaktives Material freisetzen könnten. Oder wie man die Nachkommen der Menschen davon abhalten könne, die Tore zu Onkalo zu früh zu öffnen. Was, wenn die heutigen Zeichen für sie so unleserlich sind wie für uns ägyptische Hieroglyphen?

Es gibt nur wenig Atomkraftgegner in Finnland

Noch sind die Warnsignale eindeutig: Die Ampel vor der Einfahrt zu Onkalo ist rot. Geologin Sanna Mustonen hält den Wagen und bittet das japanische TV-Team, das Tor aus Sicherheitsgründen nicht zu filmen. Sie arbeitet für die Betreiberfirma Posiva, die den Energiekonzernen TVO und Fortum gehört. Onkalo heißt Keller, ein enger Keller mit verwinkelten Gängen, erklärt Mustonen, nicht „Versteck“, wie Medien berichtet haben. Hinter dem Tor liegt der Tunnel im Nebel. In einer Spirale geht es 470 Meter tief unter die Erde. Etwas höher liegt die Versuchsebene. Hier haben die Forscher Gänge gebohrt, die vom Haupttunnel in den Felsen ragen. In solchen Trakten sollen die Brennstäbe in den Boden eingelassen werden, eingeschlossen in Kupferkapseln, vergraben unter Bentonit, einem wasseraufsaugenden Steingemisch.

Atomkraftgegner in Finnland zu finden ist schwer, besonders in Eurajoki. Der Einzige, der sich in die Öffentlichkeit wagt, ist Tapio Solala im 25 Kilometer entfernten Pori. Solala ist ein hagerer Mann, der seinen grauen Bart zu einem Zopf geflochten hat. Er gehört zu den „Friends of the Earth“. Das letzte Mal hat Solala 2012 versucht, gegen das Atomkraftwerk zu protestieren. 200 Polizisten waren da und 100 Demonstranten, die meisten von außerhalb. „Ich kenne viele Menschen, die gegen Atomkraftwerke sind, aber es ist sehr schwer, die Finnen in Aktion zu kriegen“, sagt er. „Sie haben immer Angst, dass andere Menschen besser Bescheid wissen als sie.“ Solala befürchtet, dass eigentlich niemand so richtig über Onkalo Bescheid weiß, auch nicht über Olkiluoto III. „Es ist doch seltsam, dass sie es nicht einmal schaffen, es fertig zu bauen.“